Heute vor 7 Wochen hat Christian Lindner die Koalitionsverhandlungen mit Union und Grünen abgebrochen. Ob das politisch gut, schlecht oder scheißegal gewesen wäre, weiß der Teufel. Man hat sich nicht einigen können. Über die Gründe wird viel spekuliert. Und wie es wirklich war, das erzähle ich Euch jetzt.
Wer?
Die Verhandlungspartner sind aufgewachsen in Templin, Ingolstadt, Urach, Friedrichroda und Wermelskirchen. Viele dieser Orte sind eher unbekannt. Die durchschnittliche Einwohnerzahl beträgt 41.215. Trifft so ziemlich genau die Einwohnerzahl meines Heimatortes. Das scheint mir trotzdem zu viel zu sein. Die Damen und Herren sind einfach zu städtisch!
Wie wäre es auf dem Dorf gewesen?
Stellen wir uns vor, das Ganze würde sich auf dem Dorf abspielen. Am besten noch in der Hochpubertät. Horst, Angela, Cem, Katrin und Christian gehen in die 10c des städtischen Gymnasiums Bad Klipsenwerda.
Klassensprecherin ist Angela? Völlig unrealistisch. Der Geburtsort von Frau Merkel liegt 289km entfernt von dem Ort, an dem sie aufwuchs. Sie ist also zweifelsohne eine „Zugezogene“, die in der gesellschaftlichen Gruppe zunächst nur schwer Anschluss findet, außerdem evangelisch. Katrin und Christian wären die Klassensprecher. Die überengagierte Soziale und der gegelte Wohlstandstyp. Katrin ist bekannt für lange Wortmeldung, ohne zum Punkt zu kommen, Christian beginnt jeden zweiten Satz mit „in Zeiten der Globalisierung“. Die beiden sollen außerdem auf der letzten Scheunenfete zu „Wonderwall“ geknutscht haben, wird aber abgestritten.
Was geht am Wochenende?
Am Donnerstagnachmittag wird die Gruppenarbeit im Biologieunterricht natürlich erstmal für die Wochenendplanung genutzt. Scheidungskind Christian hat sturmfrei und lädt die Meute ein. Die zugezogene Angela sollte zunächst nicht mit dabei sein, man entscheidet sich dann aber doch dafür, da ihr jüngerer Bruder dann mitkommt und der hat eine externe Festplatte mit echt guten Winamp-Playlists. Abends um 8 geht’s los. Bring your own beer.
Horst geht zu Fuß. Katrin und Cem fahren Rad. Angela und Bruder Marcus werden gefahren. Gefeiert wird im Partykeller. Horst ist pünktlich um 8 da, setzt sich in die Ecke und trinkt die Hefeweizenvorräte von Christians Papa. Er hatte vergessen, selbst was mitzubringen.
Ein Potpourri der Jugendkulturen
Nachdem alle eingetroffen sind, können wir uns mal die Beteiligten angucken. Cem hat bestimmt lange Haare und trägt ein Slayer-T-Shirt. Katrin in Chucks, Cordhose und Mando-Diao-Shirt.
Außerdem einige Buttons auf der Jacke. Horst trägt ein kariertes Hemd und eine ausgewaschene Jeans. Angela ist eine klassische Tussy in „Miss Sixty Jeans“, die auf der Rückseite per Reißverschluss zugeht. Ihr Bruder ist der typische Informatiker mit einem pseudolustigen Shirt aus dem EMP-Katalog. Christian hat die Haare noch schmieriger als sonst und trägt ein Krokodil auf seinem Hemd. Lustigerweise sah der Großteil der Geburtstage, auf denen ich mit 16 war, genauso aus.
Es fehlt eigentlich nur noch ein Hiphop-Skater und der Typ, von dem alle sagen, dass er ein bisschen rechts sei. Wobei, Horst ist ja da.
Und trotzdem rafft man sich zusammen. Das spiegelt auch die Playlist wieder. Spice Girls reiht sich an die Ärzte neben Metallica und The Killers. Alle verdrehen die Augen, als Angelas Bruder „The Internet is for Porn“ anmacht. Aber trotzdem irgendwie lustig.
Streitet man sich?
Natürlich verläuft ein solcher Abend nicht reibungslos. Horst äußert sich abschätzig über das soziale Engagement von Katrin. Christian findet die langen Haare von Cem fies. Außerdem fühlt sich Angela außen vor. Aber wirklich ein Streit? Abbruch der Verhandlungen? Das würden Euch Eure Eltern niemals erlauben. Ich hab’s schon förmlich im Ohr „Hör mal Mädchen, weißt Du, wie lang Seehofers schon bei uns im Ort wohnen? Du verträgst Dich jetzt wieder mit dem Jung.“
In einer Stadt kann man sich bestimmt aus dem Weg gehen. In Berlin hängen Linke nur mit Linken rum und Spießer nur mit Spießern. Aber auf dem Dorf. Da knutscht Katrin mit Christian, Angela zieht bei Cem am Joint und alle zusammen kommen zur nächsten Scheunenfete, organisiert durch die katholische Landjugend von Horst.
Denn bei allen Meinungsverschiedenheiten hat man ja doch ein gemeinsames Ziel, eine schöne Zeit auf’m Dorf.
Alle sind dabei, alle machen mit. Außer Martin Schulz, der trinkt keinen Alkohol.