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Tulpensonntag 2006
Nun ist Tulpensonntag und wir springen ins Jahr 2006. Ich wache um 8:30 Uhr auf und bin offensichtlich noch sternhagelvoll. Auf dem Ledersofa in meinem Zimmer schläft ein Kumpel. Ledersofas sind echt nicht zum besoffen drauf Schlafen gemacht. Ernsthaft, lasst Eure Gäste nicht auf Ledersofas schlafen. Aber gut, er trägt noch sein Indianerkostüm, das ist wohl angenehmer, als direkt mit der Haut auf dem Leder zu liegen.
Um 9:30 Uhr werden wir von einem weiteren Kumpel abgeholt, der mit uns in ein Nachbarkaff fährt. Jetzt wird es kompliziert. Wir sind aufgewacht in Dorf A, lassen uns jetzt ins Dorf B fahren, um von dort aus ins Dorf C zu laufen. Der Fußweg führt durch Dorf A und bis auf wenige Meter auch knapp am Startpunkt vorbei.
Warum machen wir das? Na ist doch klar. Mehr Weg = Mehr Zeit zum Trinken. Die Messdienerschaft von Dorf B bietet hier nämlich ein besonders schönes Komplettangebot. Für närrische 11 € erhalte ich hier den ganzen Tag Bier. Becher bitte selber mitbringen. Ein Mercedes Sprinter (Product Placement) fährt nämlich im Standgas vor der Truppe und auf der Ladefläche ist eine Theke mit zwei Fässern montiert (Pils und Alt). Diese können also von den Fußgängern bedient werden. Ist das verständlich?
Der normale Rhythmus ist also der Folgende: Schnellen Schrittes nach vorne, Bier zapfen, wieder zurück fallen lassen, Bier trinken, Kippe rauchen, und wieder von vorne.
Der Weg ist das Ziel
Mein Handy hat die Strecke mal als 8km gemessen, es dauert jedenfalls rund drei Stunden und ist genug Zeit, um viel Bier zu trinken. Dieses Jahr werde ich insgesamt zum 13. Mal bei dieser Truppe mitlaufen, die sich übrigens treffenderweise „Stimmungstreff“ nennt. 2006 war es das erste Mal. Über die Jahre wirklich viele lustige Gestalten getroffen. Besonders hervorzuheben ist natürlich der große Mann im Mönchskostüm, der die gesamte Strecke genau einen halben Meter hinter dem Wagen läuft und sich dem Pilsfass widmet. Keine Gespräche, dafür Kette rauchen und trinken. Immer wieder nett anzusehen. Als 2010 der Sprinter einen kurzen Umweg gefahren ist, bestand er auch darauf, das Fass für die Zeit unter den Arm zu nehmen.
Mein heimlicher Favorit ist aber der Tennisspieler, der seinen Schläger stets als Serviertablett nutzt, um eine Runde Flimm fertig zu machen. Herrliches Waldmeistergetränk.
Sonst passiert auf diesem Weg nicht viel. Das große Humba unter der Autobahnbrücke natürlich, aber sonst nichts.
Ich muss auch echt verdammt pinkeln. Will aber definitiv bis zur Pinkelpause bei der Baumschule Lappen durchhalten, kein Bock, zu weit zurück zu fallen, dann hinterher rennen zu müssen und überhaupt. Viel zu stressig.
War der Tag an dem ich lernte, dass die Blase ein Muskel ist, der trainiert werden kann. Die Frequenz, in der ich danach pinkeln muss, ist angenehm gering.
Angekommen
Irgendwann sind wir dann endlich in Dorf C angekommen. Traditionell hole ich mir beim völlig überfüllten Griechen einen Gyrosteller. Endlich. Der saugt die letzten paar Pils auf, bevor sie das Großhirn erreichen.
Joa. Und jetzt? Jetzt ist das Konzept eigentlich recht ähnlich zum Vortag. Rumstehen, Fassbier trinken, Scheiße reden. Der Sprinter hat sogar Lautsprecher am Start, so dass wir nicht auf Karnevalsmusik verzichten müssen und jeder vorbeifahrende Wagen per Mikrofon begrüßt werden kann. Schöne Geste.
Gegen 17 Uhr ist das Pilsbier alle. Nun kommt ein legendärer Moment in meiner Karriere, mein Pragmatismus sagt mir „dann trink ich halt jetzt Alt“. Und es schmeckte. Es schmeckte gut.
So sollte der Tulpensonntag 2006 der Tag sein, an dem ich offiziell zum Altbiertrinker wurde. Papa war stolz.
Zuch vorbei
So, Zuch ist vorbei. Ins Festzelt können wir noch nicht. Auch praktisch: Irgendein Kumpel hatte immer über Karneval sturmfrei, da es auch am Niederrhein einzelne Karnevalsfeinde gibt, die die freien Tage (ja, da ist bei uns frei) dann für einen Ski-Urlaub oder ähnliches nutzen. Ansonsten hält Mutter an so einem Tag auch immer in unserer Küche Erbsensuppe parat, das macht munter.
Gefällt mir, wenn ich anhand des Tisches erkennen kann, wer hier die letzten Tage gefeiert hat. „0,33er Becks? Ach, der war hier?“ „Weizenbier aus der Flasche. Das macht nur Einer.“ „0,5er Diebels. Unverkennbares Markenzeichen. „Oscar Maxxum Alt, das trinkt auch nur einer.“
Mein Markenzeichen an Karneval ist sonst das holländische Dosenbier, an diesem Tag schnorre ich mich aber durch. Ich hatte ja das Flatrateangebot gebucht und somit kein Bier dabei. Nach einer richtig schön fettigen Lieferpizza geht’s ab ins Festzelt. Mein Vatter hat am Eingang Geld für mich hinterlegt, welches ich mir abholen kann. Dachte ich zumindest.
Vatter war aber so schlau und hatte es direkt in Biermarken umgewandelt. Gut, eigentlich praktisch.
So, erstmal anne Theke und das neue Lieblingsgetränk Altbier ordern. Jeder, den ich treffe, hört an diesem Tag die Geschichte von mir, warum ich jetzt ja kein Pils mehr trinke und überhaupt ist Alt viel leckerer und frischer gezapft und haste nicht gesehen. Hach, ein tolles Bier. Damals übrigens noch Diebels. Bolten Alt trat erst 2008 in mein Leben.
Nunja, in diesem Zelt ist im Grunde die gleiche Formation wie auf dem Markplatz am Vortrag. Ich kenne 80 % der Leute, alle sind besoffen, ein Band spielt Livemusik. Um 0 Uhr versuche ich, mit dem Indianer der Band zu erklären, wir seien Zwillinge und hätten Geburtstag. Ein Ständchen müsse doch drin sein. Hat nicht geklappt.
Den Rest des Abends versuche ich, immer dann neben Papa zu stehen, wenn er eine neue Runde Bier holt. Vatter deutete dann auf den Kumpel neben mir und meinte „Gehört der zu uns?“. Als der versucht, sich förmlich vorzustellen, entgegnet Vatter nur: „Aha. Pils oder Alt?“. Die wichtigen Fragen klären. Dafür liebe ich den Niederrhein.
Da Vatter mit dem Chef von diesem Karnevalsverein schon vor 40 Jahren zusammen im Pfadfinderlager war, dürfen wir auch länger bleiben als die übrigen Gäste. Ob das Fluch oder Segen ist, weiß ich noch nicht. Bin jedenfalls froh, als ich endlich nach Hause darf und nicht erneut der Satz „Ich hol nochmal ’ne Runde Alt, Jung“ ertönt.
Rosenmontag 2018
Seien wir ehrlich, ich bin zu alt für Dülken. Als Schüler war es irgendwie lustig, auch den Tag noch mitzunehmen und mit irgendwelchen Mixgetränken sich nochmal im Fahrt zu bringen, aber das schaffe ich nicht mehr. Jetzt ist genug. Rosenmontag wird ausgeschlafen und die Rückkehr ins echte Leben wird vorbereitet. Gefühlt ist jetzt schon Aschermittwoch.
Veilchendienstag
Ernsthaft? Gibt es Leute, die das noch mitnehmen? Kenne ich nur als Legende, dass man ja an dem Tag „den Zuch in Gladbach“ noch mitnehmen könne. Nie geschafft.
Aschermittwoch
So, Schule geht wieder los. Morgens Aschekreuz in der Kirche abholen. Fastenzeit. Gute Vorsätze. Früher habe ich an dem Tag immer meiner Geburtstagseinladungen verschickt, um zumindest den nächsten Suff schon in der Planung zu haben. Auch dafür bin ich inzwischen zu alt.
In diesem Sinne, wünsche ich frohe Karnevalstage und ganz viel Spaß und verabschiede mich mit einem dreifach donnernden
Niederrhein – Helau!
Altbier – Helau!
Troostiboy – Helau!
Dieses Jahr werde ich leider nicht direkt hinter dem Pilsfass laufen, stoße dann aber in Kaldenkirchen dazu