Nicht mehr lange, dann beginnt der Straßenkarneval 2018.
Zur Einstimmung wollen wir die nächsten zwei Wochen eine Zeitreise wagen, durch vergangene Jahre meiner Karnevalskarriere.
Und es heißt Karneval. Nicht Fasching. Ganz sicher.
Altweiberdonnerstag 2005
Morgens 06:30 Uhr. Der Wecker klingelt. Flott duschen, als Sido verkleiden, auf zur Bushaltestelle.
Ich darf auf keinen Fall diese Alufolienmaske ausziehen, dann sehe ich aus wie ein gewöhnlicher Hiphoper. So finde ich mein Kostüm aber lustig.
07:55 Uhr – Zeit fürs erste Schnäppschen. Och, warum nicht? Wie das Schicksal so spielt habe ich heute katholischen Religionsunterricht bei Gunnery Sergeant Hartman persönlich. Wir lesen aus der Bibel. Vers für Vers. Didaktisch ausbaufähig, aber für einen Karnevalsmorgen irgendwie eine gute Sache.
Drei Jahre später habe ich an Altweiberdonnerstag im Deutschunterricht eine Büttenrede gehalten. Auch eine nette Geschichte gewesen. Fand nur halt keiner lustig, bis eben auf die Autoren.
Um 09:30 Uhr beginnt traditionell die Schulfestivität in der Aula. Hauptsächlich führen Unterstufenschüler hier irgendwelche Tänze auf, ich hab es mir noch nie richtig angeguckt. Stattdessen versuche ich mit einer Gruppe Trunkenbolde dem Schulgelände zu entkommen. Einmal im Jahr fühlen wie ein Action Held. Hinter der Hecke lang, zum parkenden Auto hechten, immer weiter. Meine Hüfte schmerzt noch etwas, da ich vor wenigen Wochen auf einem Müllsack gegen einen Baum gerodelt bin, aber das ist eine andere Geschichte.
Jetzt haben wir schon mal den Exit geschafft, also erste Adresse: Deutsche Bank. In dieser Filiale gibt es nämlich an Altweiberdonnerstag immer ganztägig Sekt. Mein traditioneller Start in die Karnevalswoche. Macht dieses Unternehmen sympathisch. Darum habe ich da mein Konto. *Influencer-Zaunpfahl*
Schnell füllt sich die gesamte Fußgängerzone meines Schulortes mit lustig verkleideten Menschen. Ich habe ja irgendwie eine Schwäche für sonderlich kreative Kostüme. Also dieses Plüschhasending ist einfach nur langweilig. Aber „Uhu-Alleskleber“, „Alter Schwede“ oder „heiliger Strohsack“ begeistern mich. Meine Kreativität gipfelte im besagtem Sidokostüm. Danach die Jahre wurde es nur noch Cowboy oder Urzeitmensch.
Weg hier!
Gut, 15 Uhr. Lass mal weg hier. Ab zum Bahnhof und mit dem nächsten Rhein-Holland-Express gen Heimat. In Bahnhofsnähe mache ich einen Parkbank Rast. Ich schwöre, ich wollte hier echt nur kurz eine Rauchen. Stunde später findet mich eine gute Freundin, die den nächsten Zug genommen hatte. Naja, so ein kurzer Powernap tut sicher gut.
Zum Abend hin verirre ich mich in das örtliche Festzelt. Viele der Leute starten jetzt erst in den Trunk, das ist definitiv wettbewerbsverzerrend. Nach einem „Abstauberbier“ (zufällig daneben stehen, wenn jemand wildfremdes eine Runde verteilt), auf Kosten der Messdiener, entschließe ich für den Heimweg. Geil. Im eigenen Heimatort verlaufen. Darf auch mal passieren.
Karnevalsfreitag
Hier ist tatsächlich egal welche Jahreszahl wir nehmen, weil es immer recht ähnlich verlief.
Ich wache gegen 13 Uhr auf. Solider Kater. Heute machen wir mal rein gar nix. Als Schüler hatte ich an diesem Tag immer frei, später habe ich mir frei genommen. Es macht keinen Sinn Karnevalsfreitags irgendwas zu tun. Höchstens mal ein HIMYM-Sandwich essen und pennen. Die ganz Eisernen gehen abends immer in die Dorfdisco, aber da habe ich es nie hingeschafft. Einfach mal ein Tag Sofa tut auch gut.
Wir springen mal kurz ein halbes Jahrzehnt nach vorne und betrachten den
Nelkensamstag 2010
09:30 Uhr aufstehen, duschen, verkleiden. Heute soll es in den Nachbarort gehen. Da mein Elternhaus am Ortsausgang liegt, trifft man sich bei uns im Hof. Ich muss noch frühstücken und die Erdbeere noch paar Mal aufs Klo, aber dann geht’s los. Der geklaute Einkaufswagen von Penny Markt ist natürlich schon mit dabei.
Traumhaft, wie sich der Radweg neben der Landstraße mit Menschen füllt. Raucherpause am Stromkasten, freie Sicht auf die Windräder und Pinkelpause kurz vorm Friedhof. Das ist hier die etablierte Route.
Das Zentrum der Asozialität bildet natürlich der Markplatz. Im Schatten von Mutter Kirche trinkt es sich doch am besten. Hier tanzen Frauen auf Mülleimern, Männer pinkeln von Garagendächern und es fliegt ständig Müll durch die Gegend. Ein bisschen Love Parade für jedermann. Wildpinkeln quasi erwünscht.
Genderdebatte hin oder her, das ist übrigens eher was für Herren. Liebe Gastwirte, bitte lasst daher die Damenwelt jederzeit kostenfrei bei Euch auf’s Klo gehen. Ich geh hier mal nicht ins Detail, aber ein ausbleibender Gleichgewichtssinn führt sonst zu echt unwürdigen Bildern.
Klassischerweise treffe ich auf diesem Markplatz, auch noch Jahre nach meinem Abitur, alle Menschen, mit denen ich zur Schule gegangen bin. Und das macht Karneval auf dem Dorf für mich auch irgendwie aus.
Rumstehen, holländisches Dosenbier trinken, ab und zu mal ein Schnäppschen. Wunderbar. Finde ich reizvoller, als dichtgedrängt in der hohen Straße in Köln zu stehen. Anschließend dann ne Stange Kölsch für 2€? Muss sagen, holt mich nicht ab. Finde ich nicht gut.
Mein Abend endet heute tatsächlich in einer privaten Wohnung, Freunde haben zu sich eingeladen. Hier kann ich mich jetzt auf’n Balkon setzen und den Tag rauchend ausklingen lassen. Früher wäre ich wohl in irgendein Festzelt gegangen, aber dafür fühle ich mich heute zu alt.
Das werden wir morgen noch erleben. Beziehungsweise: Nächste Woche.