Ein etwas abgewandeltes Zitat über Langdistanz-Triathlon sagt „Ein Ironman ist im Grunde ein Radrennen verpackt in einer Stoffwechselschlacht mit Aufwärm-Schwimmen und Cooldown-Lauf.“ Klingt ja irgendwie ganz witzig. Aber was bedeutet das? Heute sind es noch genau 8 Wochen bis zum Ironman Hamburg. Das utopische Ziel meiner Triathlon-Karriere, die vor 4 Jahren als betrunkene Wette begann.
Wo stehe ich heute?
Radfahren
Ich war den Winter über fleißig und habe mich auf der Rolle gequält. Dadurch konnte ich Ende Februar kurz vor Abflug ins Trainingslager Lanzarote ein FTP-Test-Ergebnis von knappen 300 Watt erreichen. Damit lieferte der Motor bereits vor 5 Wochen mehr als genug Leistung. Hochintensive Intervalle bis zum Erbrechen auf der Rolle kann ich mir für den Rest der Saison sparen, was ich ab dann noch brauchte war Kilometer sammeln um den Tank zu vergrößern.
Meine Radergebnisse auf Lanzarote sind rückblickend irgendwie nochmal anders bewerten, da ich inzwischen weiß, dass ich den Großteil des Trainingslager mit (halbwegs symptomfreier) Corona-Infektion gemacht habe. Akute Erschöpfung, schlechter Schlaf und massiven Durst hatte ich auf die Trainingsbelastung geschoben. Muss wirklich sagen, Glück gehabt, dass ich da keine Langzeitfolgen davon getragen habe.
Nichtsdestotrotz haben mir die 500 Radkilometer mit insgesamt 7000 Höhenmetern gut getan. Besonders die Königsetappe, bei der ich knapp 5 Stunden mit einer Durchschnittleistung von 200 Watt unterwegs war und zusätzlich in der letzten halben Stunde eine Gegenwindpassage nochmal mit 80% meiner Schwellenleistung drücken konnte, obwohl bereits 1500 Höhenmetern in den Beinen waren. 200 Watt entsprach auch meiner Durchschnittleistung 2021 in Duisburg, wo ich eine Radzeit von 2:45h hinlegen konnte. Bei meiner Schwellenleistung wäre vermutlich auch ein Wattschnitt von 225 und somit auch mehr km/h drin, aber ich muss sagen, wenn ich das gleiche Tempo wie in Duisburg halten kann und eine Radzeit von 5:30h hinlege, dann reicht mir das. Spare ich mir die restliche Energie für den Lauf.
Also zusammengefasst: Radfahren läuft. Wichtig ist nur noch, dass ich diese Leistungen auch auf meinem Zeitfahrrad hinbekomme. Aber da sind die kommenden Wochen perfekt geeignet zum „an die Position gewöhnen“.
Laufen
Wie heißt es so schön: „Laufen kommt vom Laufen“. Darum war ja der ursprüngliche Plan am 3.4. beim Hannover-Marathon zu starten. Habe mich zwar letzten Endes dagegen entschieden, aber der Laufblock Ende März hat mir gut getan.
Konnte in der Vorbereitung auch mal 25km laufen sowie eine schöne 20km-Zeit mit perfektem Pacing und Negativ-Split aufstellen. Dazu jede Menge Erkenntnisse zu Verpflegung und Rumpfstabilität. Wenn in 2 Wochen der Hermannslauf im Ziel ist, dann sollte meine Läufermuskulatur in Form sein wie nie zuvor. Realistisch betrachtet wäre aktuell wohl eine Marathon-Zeit von 4:15h drin. Am Ende eines Triathlon würde ich da aber nochmal ordentlich was draufpacken und auch 5h für den Schlussmarathon würde ich nehmen und reicht mir als Zeit.
Schwimmen
Ach Schwimmen. Wenn ich noch einmal von irgendeinem Ausdauersportler höre „Triathlon finde ich interessant, aber ich schwimme scheiße“ dann raste ich aus. Deutsche Triathleten müssen scheiße schwimmen! Tradition der german Überbiker! Und Frodeno zählt nicht, der ist in Südafrika aufgewachsen. 2021 in Duisburg bin ich 43 Minuten geschwommen, trotz technischer Probleme mit der Schwimmbrille. Meine Schwimmform ist immer noch nicht berühmt, aber mit bisschen Freiwassertraining und den Wochen bis zum Ironman scheint mir 1:20h für die 3,8km durchaus realistisch. Das Brutto-Netto-Verhältnis von eingesetzter Zeit zum Ergebnis beim Schwimmen ist einfach die perfekte Ausrede um da nicht mehr zu investieren. Aber was ich zugeben muss, von der Rumpfstabilität durchs Schwimmtraining profitiert man auch in den anderen Disziplinen. Ich bleibe trotzdem dabei und schwimme scheiße.
Bilanz
Das heißt, wenn ich alles zusammenfasse, mega easy oder? Nach 1:30h aufs Rad, nach 7h auf die Laufstrecke und schon bin ich in unter 12h im Ziel. Und ganz Im Ernst, ich habe mir schon oft genug mit schlechterer körperlicher Vorbereitung Wettkämpfe bestritten und mich ins Ziel gekämpft. Ich investiere weniger Zeit ins Training als die meisten Langdistanz-Triathleten und wiege mehr. Viele Grüße an der Stelle an Marvin, aber wenn Du Dich nochmal bei Regenwetter geschlagene 3,5h auf die Rolle setzt, anstatt sich wie normale Leute aufm Sofa vorm Training zu drücken, dann entfolge ich Dir auf Strava. So fühle ich mich mit meiner 12h-Trainingswoche wie der letzte Unterperformer. Aber gut, mit Willensstärke hat das ja immer irgendwie geklappt. Und genau da kommen wir zum entscheidenden Punkt. Mein größter Gegner auf diesen 226km am 5.6. in Hamburg werde einfach nur noch ich selbst und mein Kopf sein.
Eine Langdistanz ist nicht vorhersehbar. Ich habe mal gehört, die erste Langdistanz ist die leichteste, weil man noch nicht weiß, auf was für eine Scheiße man sich da eingelassen hat. Der allerwichtigste Trainingsfortschritt auf dem Weg zum Ironman ist nämlich die persönliche Leidensfähigkeit zu erhöhen. Ich muss in der Lage sein mich selbst so vollends zu zerlegen.
Theoretisch könnte ich vermutlich schon morgen ins Ziel kommen. Mir würden die Arme weh tun, weil ich mich noch nicht ans NeoSchwimmen gewöhnt habe, nach 180km Radfahren hätte ich die Rückenschmerzen des Todes, weil ich die Zeitfahrposition noch nicht so lange halten kann und ich würde die zweite Hälfte des Marathons von Dixie-Klo zu Dixie-Klo wandern, weil ich die Verpflegung nicht hinbekomme, aber es gibt keinen physischen Grund, der mich davon abhalten kann vor dem Zeitlimit von 17h die Ziellinie zu erreichen. Aber der Punkt vor dem ich richtig Sorge habe und was mir bereits jetzt schlaflose Nächte bereitet ist einfach nur die Angst, dass ich irgendwann an diesem Tag an dem Punkt bin, an dem ich keinen Bock mehr habe und aufgebe. Tatsächlich habe ich in den letzter Woche in der Hälfte der Nächte vom Ironman geträumt. Im Unterbewusstsein scheine ich wohl noch Angst zu haben, dass ich mich auf der Radstrecke verfahre, aber im wachen Zustand ist die Angst vor den Schmerzen doch größer.
Mir wird alles weh tun, es wird scheiße anstrengend und eine reine Qual und alles in mir wird sagen „Hör einfach auf“. Die gleiche Stimme, die mir heute bei Hagel gesagt hat, dass ich den Rest der Radfahrt auf der Rolle mache. Die Stimme hat mir auch vergangene Woche gesagt, dass ich den Hannover-Marathon besser nicht laufe. Diese Stimme wird mich auch in Hamburg ereilen. Und die Stimme hat Recht: es wäre besser, keinen Ironman zu machen. Es ist vollends geisterkrank sich das anzutun. Dieser Moment wird kommen. Und diesen Moment gilt es zu besiegen.
Ja, wenn ich mein Strava gucke, dann habe ich in dieser Woche 11h Ausdauersport trainiert. Aber das stimmt nicht, was ich jeden Tag aufs Neue trainiere und wo ich bis zum 5.6. auch wirklich noch besser werden muss, ist meine persönliche Leidensfähigkeit. Die Fähigkeit, die mich mit damals 140KG als Vorletzter den Halbmarathon in München mit 2h58min hat finishen lassen und genau die Fähigkeit mit der ich mal 300km am Stück Rad gefahren bin. Das war noch nie so gefordert wie es am 5.6. gefordert sein wird. Davor habe ich Schiss.
Es bleibt dabei: Sei auf der ersten Hälfte kein Idiot und auf der zweiten Hälfte kein Weichei. Jetzt mit passendem Shirt im swimbikerunstore.
Schmerz vergeht, Stolz bleibt…
Das ist der Spruch, der mich beim Marathon zwischen km 26-34 gerettet hat. Hab es mir immer wieder vorgestellt… Nur noch 16,15,14, die bist du doch schon x-mal gelaufen… Easy… Nicht eine Sekunde an die große Zahl denken, sondern wissen, dass man das was vor einem liegt schaffen wird ✊.
Hehe, ja! Genau das ist das mindgame welches es zu spielen gilt…
…Am Ende bereust du nicht was du getan hast, sondern nur was du nicht getan hast.…(kenne ich aus eigener Erfahrung ) – das Leben ist viel zu kurz für irgendwann und später! MACHEN☝!!!
Du packst das, egal wie…und der Spruch von Meike hilft hoffentlich auch dir – finde ich übrigens mega und sehr passend !!
Werde mich an Eure Sprüche dann hoffentlich in Rennstunde 11 erinnern 🙂