So schnell kann es gehen, es ist Mitte Februar und ich befinde mich mitten in meiner zweiten Langdistanzsaison. Nach meinem Finish im vergangenen Jahr in Hamburg war ich zwar zunächst noch davon ausgegangen keine weitere Langdistanz mehr zu machen, aber was soll ich sagen – schon am Tag drauf hatte ich neue Pläne geschmiedet. Ich werde am 25. Juni bei der Challenge Roth starten und am 16. September beim IRONMAN Italy. Aus „einer Langdistanz und nie wieder“ wurden also zwei! In diesem Beitrag möchte ich deutlich machen, was ich nun anders mache und was sich geändert hat.
Fazit aus dem Wettkampf
Was habe ich beim Ironman 2022 in Hamburg gelernt? Ich bin beim Schwimmen mit 1h27min ganz ok durchgekommen, der Rückweg war aber sehr nervig. Das Radfahren lief bombastisch, wenn auch ich auf dem Rückweg immer mal wieder aus Aeroposition raus musste. Am Ende des Tages war mein Radsplit in den Top 50% des Tages und ich bin super zufrieden. Beim Laufen bin ich – wie es sich gehört – viel zu schnell angelaufen, die ersten beiden Kilometer in Halbmarathon-Bestzeittempo angelaufen und dann erwartungsgemäß mehr und mehr eingebrochen. Bis KM14 bin ich durchgelaufen, ab dann war es Wandertag und Lauf im Wechsel. Eingeplant war eigentlich den Halbmarathon durchzulaufen und erst dann zu wandern, aber meine Güte. Ist doch alles scheißegal, ich bin ins Ziel gekommen und ich hatte einen tollen Tag.
Ruhe und Gelassenheit
Während ich 2022 auch noch häufig mal etwas Angst hatte, ob das alles überhaupt eine gute Idee war, gehe ich inzwischen wesentlich entspannter an die Sache ran. Anhand meiner Trainingsdaten weiß ich ja welche Form ich zu welchem Zeitpunkt haben muss, um ähnlich in Form zu sein wie vor Hamburg. Dazu noch das Wissen, was richtig und was falsch zu machen ist, wäre doch gelacht, wenn das nichts wird. Und auch wenn mir irgendwas dazwischen kommt. Das Glück meines Lebens hängt nicht von diesem Wettkampf ab. Ich darf auch Spaß dran haben.
Strukturierung meines Trainings
Ich orientiere mich im Großen und Ganzen nach wie vor an den Power&Pace-Trainingsplänen vom Triathlon Magazin. Aber wirklich nur grob, wie Ihr gleich sehen werdet. Zusätzlich habe ich das Buch von Mario Schmidt-Wendling gelesen.
Wann immer es geht, trainiere ich mit anderen zusammen. Sei es der mindsquare-Community-Run mit Kollegen, einfach nur ne Rennradtour zum Hermannsdenkmal hoch oder auch Freiwasserschwimmen in einem See im Kölner Umland. Wenn geiles Wetter ist und ein Kumpel Bock hat zu fahren, dann mache ich, auch wenn alleine auf der Rolle die Intervalle natürlich besser getimed werden könnten.
Planung is Key
Ich arbeite in einer Beratung, der Outlook-Kalender ist meine Wunderwaffe. So steht dort nicht nur drin, wann ich die Mülltonnen rausstellen muss oder meine Mutter anrufen, sondern ich reserviere natürlich auch Zeit fürs Training. Etwas inspiriert vom Buch „Die 1% Methode“ glaube ich ja dran, dass „Lifetime Goals“ ein bisschen so funktionieren, wie eine Wohnung aufräumen. Wenn Du willst, dass die leeren Pfandflaschen nicht immer aufm Wohnzimmertisch rumstehen, dann musst Du eine Routine etablieren, dass sie immer im Flur gesammelt werden und einmal in der Woche weggebracht. Genauso ist es mit der Trainingseinheiten. Wenn Du 10h in der Woche trainieren willst, dann musst Du dafür sorgen, dass es diesen Platz in Deinem Leben gibt
Priorisierung
Als Informatiker funktioniert jede Trainingseinheit für mich wie ein kleines Entscheidungsdiagramm. Ich gucke in den Kalender und sehe „2h Triathlon-Training“ und dann entscheide ich anhand eines Entscheidungsbaums, was ich mache.
Erste Frage -> Hast Du genug gepennt?
Ja, die wichtigste Trainingseinheit ist der Schlaf. Und damit meine ich mindestens 7h Schlaf, ausreichend REM-Phasen und eine soliden Ruhepuls. Jeder kennt den Leistungsschub im Trainingslager, der nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass man genug pennt und der Körper sich voll und ganz regenerieren kann. Wenn ich nur 4h gepennt und es steht „Triathlon-Training“ im Kalender, mache ich Jalouise runter und mache einen Mittagsschlaf.
Zweite Frage -> Stimmt die Ernährung?
Ich habe 2h Zeit für Triathlon-Training bedeutet für mich immer auch: ich werfe einen Blick in den Kühlschrank. Nix mehr da? Dann lasse ich lieber die Rolleneinheit ausfallen und sorge stattdessen dafür, dass wieder gute und gesunde Lebensmittel im Haus sind. Was Ernährung angeht orientiere ich mich unter anderem am Ernährungskompass. Bringt nix, wenn ich zwar tolle Intervalle laufen gehe, aber aufm Rückweg mir nen big tasty bacon hole.
Erst wenn diese beiden Fragen beantwortet sind, dann bewege ich mich.
Was ist das Wichtigste in meinem Training?
Hier habe ich einen kleinen mindset-Change. Das wichtigste ist nicht die Einheit, die der Trainer zufällig für diesen Tag in den Plan geschrieben hat, sondern das Wichtigste sind meine Laufeinheiten. Es ist die absolute Baseline, wichtig ist, dass die Laufumfänge kontinuierlich und strukturiert bis zum Wettkampf gesteigert werden.
Warum? -> Ganz einfach. Den Wettkampf wird Dir nicht versauen, wenn du ab KM 130 aufm Rad die Aeroposition nicht mehr halten kannst. Den Wettkampf wird Dir auch nicht versauen, wenn Du bei KM 2 beim Schwimmen mit Brustschwimmen anfangen musst. Deine gesamte Sportlerkarriere kann Dir aber versauen, wenn Du Dir die Knie kaputt machst.
Also, wenn ich Zeit habe zum trainieren, genug geschlafen habe und der Kühlschrank voll ist, dann absolviere ich eine Laufeinheit aus dem Plan
Ausnahme hier natürlich, wenn ich schon alle Einheiten für die Woche erledigt habe und auch, wenn ich schon am Vortrag > 7km gelaufen bin. Zwei längere Läufe hintereinander möchte ich zu dem Saisonzeitpunkt noch nicht machen, darum bedeutet „Gestern bin ich gelaufen“ meist, heute mache ich was anderes. Mit dieser Taktik ergeben sich Laufumfänge von 30-45km die Woche.
Nächste Prio = 1 Stabi-Einheit pro Woche. Ich merke es in den Wettkämpfen immer wieder, meine Rumpfstabilität ist ein Problem. Darum ist das die nächste Priorität.
Mit anderen Worten, erst wenn ich drei mal laufen war (oder am Vortrag laufen war) und wenn Stabi für die Woche erledigt ist, dann geht es aufs Rad!
Das Radfahren
Ein weiterer Grund, warum ich das Radfahren vermeintlich niedrig priorisiere: Es liegt mir sehr. Mit wenig Aufwand bekomme ich da die alte Form wieder. Ich bin noch im Dezember 1000 Radkilometer gefahren mit dem Zwift Uber-Pretzel an Silvester als Highlight. Ich kann hohe Radumfänge gut wegstecken, habe bereits einen FTP von um die 300 und einen tollen Fettstoffwechsel in der Disziplin. Wenn das Wetter besser wird und ich noch mal ein Trainingslager einschiebe, dann explodiert meine Radform für gewöhnlich.
Das Schwimmen
Schwimmen kommt bei mir in der Priorität erst nach 3 Laufeinheiten, ner Stabieinheit und zwei Radeinheiten. Warum so gering? Objektiv einfach nur zwei Dinge, zunächst macht es mir ganz offen nicht so viel Spaß indoor schwimmen zu trainieren und zum anderen ist das Brutto/Netto-Verhältnis der Trainingszeit im Winter auch einfach nur kacke. Ewig und drei Tage bin ich unterwegs um dann deprimiert 2.500 Meter Rentner-Hindernis-Schwimmen auf ner 25m-Bahn in Bielefeld zu machen. Das bringt mir nix.
Zusammenfassen könnte man das in folgendes Diagramm:
Ich reserviere mir etwa 10h für Training die Woche, was durchschnittlich sehr gut hinkommt. Bei guten Wetter lande ich irgendwo zwischen 12 und 15h Training die Woche, in den dunklen Monaten eher zwischen 7 und 10. Das reicht mir, macht mich besser und passt gut mit meinem Leben zusammen! Etwa alle 4 Wochen überprüfe ich dann, ob mein Fortschritt zu dem passt, was ich mir zu dem Saisonzeitpunkt wünsche und wenn nicht, dann muss ich was ändern. Das kann dann bedeuten Ernährung noch mehr anzupassen, andere Freizeitaktivitäten mehr zurückzuschrauben, ein Trainingslager einzustreuen oder auf der Arbeit kürzer zu treten. Bisher komme ich aber so ganz gut voran.
Wie geht Ihr vor? Standardisierter Trainingsplan der 1zu1 abgearbeitet wird oder doch auch wat freestyle?