Ein Tag, der für mich noch einmal sehr beeindruckend war. Beeindruckt von der Persönlichkeit Jan Frodeno, einem ganz großen Sportsmann und einem inspirierendem Menschen.
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass Jan Frodeno diese Zeilen irgendwann mal lesen wird dann doch recht gering ist, fühlt es sich irgendwie gut an einmal in aller Ausführlichkeit Danke zu sagen. Ein bisschen ist es auch Trauerbewältigung, dass ich „Frodo“ nun nie wieder in Action sehe werde.
Der 🐐
Jan Frodeno ist für mich nicht nur der berühmte Great-of-all-Time (GoaT!), sondern auch einfach der Inbegriff von Triathlon. Wirklich jedes veröffentlichte Interview mit ihm, habe ich mir schon mal auf der Rolle angeguckt. Niemand verkörpert für mich den Dialog mit sich selbst und die Überwindung der eigenen Grenzen, wie Jan Frodeno. 2008 Olympiasieger in Peking und 3 Ironman-Weltmeisterschaftstitel.
Mein erster Triathlon mit Jan Frodeno
Das erste Mal, dass ich Rennen von Frodeno im TV verfolgt habe, dürfte der Ironman Frankfurt 2019 gewesen sein. Eine Woche vor meinem ersten Start überhaupt bei einem Sprint-Triathlon ist Jan Frodeno dort überragender Europameister geworden. Zu dem Zeitpunkt haben viele (inklusive mir) gezweifelt ob ich es überhaupt ins Ziel schaffe auf der Volkdistanz.
Zwischen Hawaii und München
Im selben Jahr holte Frodeno seinen dritten WM-Titel auf Hawaii. Passenderweise in der Nacht vor meinem ersten Halbmarathon. Bei meinem Kumpel Philipp in München auf der Couch habe ich das komplette Rennen bis in die Morgenstunden verfolgt. Frodeno gewinnt nicht nur, er dominiert. Ich war dermaßen fasziniert. Die anschließende Pressekonferenz von ihm kann ich mitsprechen. Was für ein Kämpferbiest. Der folgende Tag war bis heute für mich die größte Herausforderung meines sportlichen Lebens. Ich war auf einen 10km-Lauf vorbereitet, habe aber dann spontan euphorisiert auf den Halbmarathon umgemeldet. Ab Kilometer 8 war der Besenwagen direkt hinter mir, ich habe in diesem Rennen wirklich jeden Anfängerfehler gemacht, den es gibt, aber: ich bin ins Ziel gekommen! In der Ergebnisliste stehe ich mit Platz 6871 von 6871 Finishern und in der U-Bahn heimwärts ist mir schwarz vor
Augen geworden, aber ich habe mich dadurch quälen können. Ehrlicherweise hat es sich seitdem nie wieder so hart angefühlt, aber ich fühlte mich auch nie wieder so „Frodeno-Artig“ wie damals in München. Spätestens seitdem gibt es keine Powerpoint-Präsentation mehr ohne Triathlon-Metapher. Ein beträchtlicher Anteil auch meiner nicht-sportinteressierten Kollegen können nun erklären, wer Jan Frodeno ist und was die Distanzen beim Ironman sind. Bitte sehr, gern geschehen!
Corona mit Frodeno
Während Corona prägt Frodeno für mich durch Aktionen wie seinen Tri@Home, den FrodissimoFriday auf Zwift oder das TriBattleRoyal die wenigen sportlichen Highlights dieser Zeit. Spätestens seitdem bin ich vermutlich auch beim kompletten Frodeno-Management geblacklisted, weil ein Dutzend Trainees unnachgiebig versucht mir Geburtstagsgrüße von Frodo zu besorgen.
Nach der Pandemie beginnt die Zeit, in der sich die Größe des Jan Frodeno für mich endgültig gezeigt hat. Die Stimmen werden laut: „Der Zeitpunkt für ein perfektes Karriereende wäre gegeben“. Frodo plagen Verletzung. Aber er macht weiter. Weil er Bock hat. Bricht beim Ironman Hamburg 2023 in Führung liegend komplett ein und wird Vierter. Na und? Paar Wochen später gibt es paar beachtliche Ergebnisse auf der Mitteldistanz und so waren wir alle gespannt auf den heutigen Tag.
Ironman WM auf Nizza
Wenig Dinge bringen mich dazu Sonntags um 6:30 Uhr aufzustehen, ein Triathlon mit Jan Frodeno gehört allerdings dazu. Falls sich jemand wundert: Die Weltmeisterschaft ist dieses Jahr nicht auf Hawaii, sondern in Nizza. Während er noch als einer der Ersten nach dem Schwimmen ausm Wasser kommt, zeichnet sich beim Rad fahren gewissermaßen das Schicksal des heutigen Tages für Frodo ab. Mit über 13 Minuten Abstand auf Platz 11 liegend steigt Frodo vom Rad. Es ist offenkundig: mit dem Sieg wird der heute nix mehr zu tun haben. Als der Kameramann ihn nach potenziellem Aufgeben fragt schüttelt Frodeno den Kopf und sagt: „Der Gladiator stirbt in der Arena“. Mag für viele zu martialisch klingen, wer sich selbst schon mal einen Ironman angetan hat, der weiß was gemeint ist.
Frodeno startet auf die Laufstrecke. Er bleibt bei seiner Familie stehen, umarmt seine Eltern, Frau und Kinder bevor er zum letzten Mal einen Marathon beginnt. Passenderweise muss ich an dieser Stelle die Ironman Übertragung kurz unterbrechen, da ich in Bielefeld beim Stadwerke Cup 10km laufe. Bei 30 Grad ehrlicherweise kein Zuckerschlecken, aber ich habe nur Frodeno-Bilder vor Augen und die Strecke verfliegt.
Der letzte Zieleinlauf
Als ich wieder nach Hause komme, läuft der Sieger Sam Laidlow bereits in Richtung Ziellinie. Ein Hollywood-Film hätte es nicht besser skripten können, kommt ihm kurz vorm Ziel Frodeno entgegen, der extra stehen bleibt und ihn anfeuert. Jan Frodeno wird heute mit über 40 Minuten Abstand 24. Für mich wird er immer die Nummer 1 bleiben. Ich war noch nie so kindlich und naiv Fan von einem Sportler und werde es für immer bleiben. In 6 Tagen ist es für mich wieder soweit und ich stehe an der Startlinie vom Ironman Italy. Natürlich von Kopf bis Fuß mit Frodeno-Klamotten, denn dann wird es klappen.