Vom Mai 2009 bis April 2010 hing ein Foto von mir und einem Kumpel mit der Aufschrift „Customer of the year“ im Hard Rock Café Bangkok. Ich habe die Geschichte schon so oft erzählt, dass sie mit den Jahren immer besser wurde. Aber so oder so ähnlich, muss es gewesen sein:
Jugendlicher Übermut
Wir schreiben das Jahr 2009. Abitur und Zivildienst habe ich hinter mich gebracht. Mein ehemaliger Sitznachbar aus dem Mathematikleistungskurs und ich haben uns für einen Saufurlaub am Tor zur Hölle entschieden. Superlastminute nach Bangkok. Dank Wirtschaftskrise und Nebensaison wirklich saubillig.
Sämtliche Klischees, die Ihr über einen Thailandurlaub habt, stimmen an dieser Stelle zwar nicht, wenn es Euch den Tag versüßt, denkt es Euch aber gerne.
Nach ein paar kulturarmen und suffintensiven Tagen, zog es uns ins besagte Hard Rock Café.
Mit 20 hatte ich nämlich gesteigertes Interesse daran, mir so ein klischeehaftes Shirt zuzulegen. Also wählen wir den Skytrain dorthin, „ah da vorne isses“, reingehen, Platz mit Blick auf die Liveband, perfekt. „Two large beers and the menu please.“ Und zwar in der Reihenfolge. Irgendwie schwatzt die Kellnerin uns noch ein „Corona 3 for 2“-Paket dazu auf. Von mir aus auch das.
Das erste Mal stutzig wird unsere Bedienung, als mein Kumpel sich allein ein Hauptgericht für zwei Personen bestellt. Gut, unser Chemielehrer nannte uns nicht umsonst „100-Kilo-Krieger“. Der Triple-Double-Super-Duper-Bacon-Cheese-Barbecue-irgendwas-Burger sah aber auch einfacher super aus.
Tower? Gerne!
„Ey, Pocca, nehmen wir so einen Tower? 3 Liter für 1000 Baht?“.
Ich verliere bei diesen ganzen Phantasiewährungen im Ausland immer das Gefühl fürs Geld. „Ja, was auch immer, nehmen wir.“ Das Konzept, sich eine drei Liter Säule Bier an den Tisch zu stellen, hat mich schon immer überzeugt. Wird zwar schal und warm, dafür bin ich aber nicht auf die Zuverlässigkeit der Dienstleistungsbranche angewiesen. Hier zapfe ich ja selber!
Denkste! In Thailand kommt trotzdem die Kellnerin zum Tisch und zapft Dein gerade angetrunkenes Bier wieder am Tower voll. Du trinkst also im Grunde den ganzen Abend erste Schlücke. Und der erste Schluck ist bekanntlich der Beste. Wunderbar!
Aber ich schweife ab, die Kellnerin vergewissert sich nochmal: „Are you sure? It is 3 Liters? Usually for more people.“
Hm. Drei Halbe pro Nase finde ich jetzt noch nicht so berühmt, dass ich dafür Schulterklopfen verdiene. Aber gut, stimmt wohl, was man über die Trinkfestigkeit der Asiaten sagt. Wir versichern aber, dass wir das schon schaffen. Essen ist lecker, Tower leert sich. Kellnerin scherzt etwas ironisch, dass es den zweiten Tower wohl für den halben Preis gäbe. „Okay.“ Sollte wohl nur ein Scherz von ihr gewesen sein. Aber sie fragt den Chef, ob das super-sonder-happy-hour-bundle noch funktioniert und ab geht’s. Langsam erkennt die Kellnerin unser Potenzial.
Ich liebe das, wenn Angestellten in der Gastronomie klar wird, was für ein Umsatzpotenzial in mir als Gast liegt. Ein Leuchten in den Augen, das ich sonst nur bei Wiesnkellnern kenne.
So leert sich schnell auch der zweite Tower (unter anderem, weil erste Schlücke einfach lecker sind) und die Kellnerinnen (inzwischen sind zwei für uns zuständig) bieten uns einen „Special Shot“ an. „From England. It’s called Jägermeister.“
Zu viel für meinen Kumpel. „Ey. Da ist n Buchstabe drin, den haben die gar nicht.“
Alkohol macht jesellig
Spätestens nun werden wir zur Hauptattraktion dieses Lokals. Ich mein, ganz im Ernst, wir sind jetzt bei 6 Halben pro Nase. Das ist weder am Niederrhein, noch in Unterfranken, eine Sensation. Aber gut, wer weiß schon was normal ist.
Fremde Leute setzen sich an unseren Tisch und fragen, warum wir so viel trinken. „We are from the land of the beer“ antworten wre stets, etwas genervt von allen Amis, die sich fortwährend als „from the land of the free“ präsentieren. Naja, mit einem jungen Obama im Rücken geht das auch leicht! Jetzt habter Trump. Haha!
Als wir einem Inder versuchen zu erklären, aus welchem Teil Deutschlands wir jetzt genau kommen, werden wir ausgelacht. „I am from India. There live about 1 billion people. Don’t tell me about different parts of a country.“
Joa, macht erschreckend Sinn. Mir war das trotzdem wichtig klarzustellen, dass es der linke Teil des Niederrheins ist. Klassische Gespräche beim Rauchen einfach.
Erinnerungen verschwimmen
Tower 3 gab’s glaube ich wieder für die Hälfte, bei Tower 4 reist mein Film. Irgendwann dazwischen habe ich dann noch die klischeehaften T-Shirts für mich und meinen kleinen Bruder gekauft und ab nach Hause ins Taxi. Keine Ahnung, wie viel von dem Phantasiegeld wir in dem Laden gelassen haben, aber günstig war es irgendwie doch nicht.
Natürlich gibt’s erstmal noch ’nen Absacker bei dem Typen, der mit Stromaggregat, Kühltruhe und Gartenmöbeln eine Art Kneipe auf dem Bürgersteig betreibt. Ein tolles Konzept. Heineken in 0,64 Literflaschen mit Styroporummantelung. Knallekalt.
Irgendwann im Hotelzimmer fallen wir beide in eine barmherzige Ohnmacht.
Die Schmach vom Folgetag…
Folgetag. 15 Uhr aufwachen. Scheiße. T-Shirts weg. Sind die im Taxi geblieben? Kein Plan. Naja, die waren teuer. Also nochmal durch die ganze Stadt kämpfen und am Ort des Geschehens nachfragen. Am Eingang steht eine Kellnerin, die ich noch nie gesehen habe. „ehhh, sorry, was yesterday here with my friend, bought two shirts.“
Aber die Dame wusste sofort Bescheid. Der Chef habe heute morgen schon auf der Personalversammlung über die beiden dicken Europäer gesprochen, die den ganzen Laden unterhalten haben und sich dabei einen Tower nach dem anderen reingefahren haben.
„Hier, Deine T-Shirts, außerdem haben wir euer Foto aufgehangen.“ Gab dann noch warme Worte und ein Gutschein für ein Abendessen. Mich sah der Laden niemals wieder. Aber ich kann’s empfehlen! Außerdem Gutschein abzugeben!