Der Ironman Frankfurt 2025 aus Zuschauerbrille

Ein Wettkampfwochenende mal aus ganz anderer Brille!
Nach meinem ersten Triathlon 2019, meinem ersten Marathon 2020, meinem ersten IRONMAN 70.3 im Jahr 2021 und meinem ersten Langdistanz-IRONMAN 2022 folgt nun mein erster IRONMAN als Zuschauer.

Mein Kollege Yannik startet in diesem Jahr beim IRONMAN in Frankfurt und, weil er letztes Jahr Tommi und mich so schön angefeuert hat, haben wir zugesichert, dieses Jahr am Streckenrand dabei zu sein.
Los geht meine Reise diesmal also erst am Samstagvormittag. Ziel ist ein Airbnb vor den Toren Frankfurts, wo ich mit Tommi verabredet bin.
Yannik hat heute einen ziemlich stressigen Tag vor sich. Das Frankfurter Rennen hat als großes PRO natürlich eine traumhafte Kulisse, aber dafür ist der Check-in-Tag mit zwei Wechselzonen klassischerweise wirklich sehr stressig. Auch die Parkplatzsituation am See ist eher kompliziert und die Anfahrt von Staus geprägt.
Sollte einer der Leser dieses Beitrags mal einen Eisenmann in Frankfurt absolvieren, so empfehle ich, freitags schon die Registrierung in der Stadt zu erledigen und am Samstag dann nur flott die Sachen am See zu lassen – und fertig.

Revival-Tour

Aber alles kein Thema für Tommi und mich. Wir wollen heute einfach als Revival noch einmal ein 70 km langes Teilstück der Radstrecke fahren, nur den Innenstadtteil lassen wir aus.

Streckencheck
Streckencheck

Von unserer Ferienwohnung in Bad Vilbel sind wir in wenigen Minuten auf der Rennstrecke, und spätestens ab dem Anstieg in Bergen-Enkheim und der Kopfsteinpflasterpassage „The Hell“ sind wir voller Nostalgie.
Es ist zweifelsfrei mal wieder eine Radfahrt, bei der ich merke, dass ich nicht ganz richtig im Kopf bin. Es sind 36 Grad im Schatten und, während normale Leute im Biergarten sitzen, lasse ich mich auf der Landstraße ohne Radweg von Autofahrern mit 30 cm Abstand überholen und habe mehrere Nahtoderfahrungen.

Nichtsdestotrotz war es wirklich ein schönes Revival; ich bin aber trotzdem froh, dass wir nach knapp drei Stunden unser persönliches Ausdauersportwochenende für beendet erklären und wieder in Bad Vilbel angekommen sind.

Heute früher Feierabend
Heute früher Feierabend

Pasta-Party

Die traditionelle Pasta-Party ist heute etwas anders gelagert. Auch Yannik ist mit seiner Freundin Antonia im schönen Bad Vilbel untergekommen, nur ein paar Straßen entfernt. Auch sein Bruder Marvin samt Freundin Gamze stoßen am Abend noch dazu, und wir dürfen alle gemeinsam Yannik beim Nervöswerden zugucken.
Wobei ich ehrlich sagen muss: Im Vergleich zu mir ist der Typ wirklich noch total entspannt. Es werden noch verschiedene Einteiler (mit Etikett dran – kann man ja zurückschicken) anprobiert, bevor das finale Rennoutfit festgelegt wird. Ich kann zwar nicht erklären, was Graphene mit Triathlon zu tun hat, aber Yannik hätte es gern im Einteiler.

Dazu gibt’s Reis mit Tofu und ein bisschen Gemüse. Zum Abschluss noch Magerquark. Ja, ihr habt richtig gehört. Yannik ist ein richtiger Streber. Ich finde ja, zu einer richtigen Langdistanz gehört es, dass man sich den gesamten Vortag mit Scheiße vollstopft und seinen Blutzucker ständig Achterbahn fahren lässt.
Meine Marathon-Bestzeit 2023 habe ich schließlich auch nach vier Portionen Curly Fries am Vortag hingelegt.

Aber gut, Streber Yannik wird wohl wissen, was er macht!
Um 21 Uhr machen wir uns auf – wir müssen ja alle früh raus.

4 Uhr klingelt der Wecker

Immerhin 30 Minuten später, als wenn ich selbst hier am Start stünde. Etwas verschlafen machen Tommi und ich uns auf den Weg zum Langener Bahnhof; dort treffen wir auf Arnold. Arnold hat auch uns letztes Jahr bereits in Frankfurt angefeuert und spielt selbst mit dem Gedanken, vielleicht nächstes Jahr seine Langdistanz-Premiere zu feiern. Aber erst mal steht noch die 70.3-Distanz in Duisburg im September an.
Um kurz nach sechs werden wir am Langener Waldsee vom Parkplatzeinweiser auf unseren Platz dirigiert und sind pünktlich zum Profistart am Strand angekommen.

Einfach geile Kulisse
Einfach geile Kulisse

Das Profi-Feld könnte in der Zusammenstellung problemlos auch bei der Weltmeisterschaft auf Hawaii starten. Von Blummenfelt bis Lange – alle großen Namen sind da. Tommi und ich sind noch uneins, ob Lange oder Blummenfelt heute gewinnen. Aber Platz 3 geht safe an Yannik.
Wir scherzen gern über seine Leistungsfähigkeit, da uns Yannik im Mallorca-Urlaub Ende April alle in Grund und Boden gefahren hat: schön allein noch mal die 100-km-Runde auf 130 verlängert, und während wir bereits bei alkoholfreiem Weizen und Chips im Garten lagen, kam Yannik zurück und fragt: „Kommt noch einer mit auf ’n kurzen Koppellauf? Einfach nur so fürs Gefühl!“
Streber. Sag ich ja.

Am See

Die Stimmung am See ist wieder mal großartig. Till Schenk (für mich die einzig wahre Voice of IRONMAN) kommentiert hier heute zum letzten Mal und heizt der Menge wieder gehörig ein.
Ich muss zugeben: Zum ersten Mal denke ich: Schade, dass ich hier heute nicht am Start stehe.
Ich habe zweifelsfrei gerade nicht die Form, um eine Langdistanz gesund ins Ziel zu bringen, aber mir wird in diesem Moment klar: Nächstes Jahr bin ich mal wieder fällig.

Am Strand entdecken wir auch die anderen Yannik-Supporter und warten gemeinsam auf den Start. Kurz bevor es für Yannik ins Wasser geht, erkennen wir ihn noch in der Menge und können viel Erfolg wünschen!
Hau einen raus, Yannik! Sei auf der ersten Hälfte kein Idiot und auf der zweiten kein Weichei!

Da isser
Da isser

Und jo, dann ist er unterwegs. Die Stimmung am Strand ist super, aber es ist auch wirklich viel los. Beim kurzen Landgang nach 1,6 km stehen wir nicht in der ersten Reihe und verpassen Yannik knapp.
Sei’s drum – erst mal Kaffee und belegte Brötchen für alle, und dann haben wir genug Zeit, um ihn am Ausstieg anzufeuern! Das klappt wunderbar!
Auch beim Aufsteigen aufs Rad können wir ihm noch flott zujubeln! Gib Gas, Yannik!

Schwimmen durch - Voller Fokus
Schwimmen durch – Voller Fokus

Zum Radstart

Jetzt wird es komplizierter. Ein Teil der Innenstadt ist für den Autoverkehr gesperrt. Auch mit Google Maps und IRONMAN-Karte ist es aber schwer, die richtigen Straßen zu finden. Wir stellen uns in ein Halteverbot in Bergen-Enkheim und gehen den Rest zu Fuß.

Das erste Mal ist Yannik hier schon durch, aber etwa 800 Meter weiter am Ortsrand ist der „Rückweg“ der Radstrecke, und wir sollten ihn dort noch mal am Ende von Runde 1 erwischen.
Kurz vorher gibt’s aber noch ’ne kalte Cola für alle von der Tankstelle. Es sind inzwischen über 35 Grad und es ist wirklich warm.

Es rollt
Es rollt

An der Radstrecke angekommen, suchen wir uns erst mal einen der wenigen Schattenplätze am Streckenrand. In circa zehn Minuten sollte hier die Profi-Spitze vorbeikommen und kurz darauf Yannik (entsprechend mit einer Runde Abstand).
Da sind sie auch schon – unschwer zu übersehen. Helikopter, Polizeimotorräder, Führungsauto und mehrere Kameramotorräder begleiten den führenden Kristian Hogenhaug. Das ist halt auch einfach die Europameisterschaft hier.
Wieder bin ich nostalgisch; der hatte mich nämlich auch schon im letzten Jahr in Führung liegend überholt.
Kurze Zeit später knallt Yannik an uns vorbei. Krasses Tempo hat er drauf, wir hätten ihn fast übersehen. Ich weiß nicht mehr, was wir gebrüllt haben. Aber noch scheint es allen gut zu gehen – Yannik und uns.
Wir warten noch etwas an diesem Spot auf weitere Profis, können noch meinen Helden (Kristian Blummenfelt) und Tommis Helden (Patrick Lange) anfeuern, und dann geht es für uns wieder runter in den Ortskern – natürlich nicht ohne Eis an der Tanke.

In Bergen-Enkheim wird Yannik dann etwa bei Radkilometer 100 sein. Wir brutzeln nach wie vor ordentlich in der Sonne. Uns ist klar: Yannik ist mit herausragend guter Geschwindigkeit unterwegs; wichtig ist, dass ein Hitzeschlag uns heute keinen Strich durch die Rechnung macht. Somit wird Yannik in dieser Runde nicht mit „Auf geht’s“ oder „Sauber, Yannik“ angefeuert, sondern wir brüllen alle irgendwas wie „Denk an Salz!“, „Kühl dich runter!“ oder „Nicht aufhören zu trinken!“. Erinnert an alte Zeiten im Verbindungskeller.

Ist das geschafft, zurück zum Auto.

Livestream im Stau

Joa, das brauchen wir nicht schönreden. Die nächsten 2,5 Stunden verbringen wir komplett im Stau, da wir falsch abgebogen sind. Müssen sogar noch mal zwischenladen, weil die Klimaanlage so viel Akku zieht. Aber Handyempfang ist gut, und so gucken wir auf unseren iPhones, wie Blummenfelt beim Marathon noch mal richtig einen raushaut und in Streckenrekordzeit das Rennen gewinnt.
Die Ereignisse überlappen sich: Blummenfelt läuft ins Ziel, Yannik kommt in die Wechselzone, und wir erreichen das Parkhaus Alt-Sachsenhausen.
Wir koordinieren uns kurz mit den anderen Supportern und erwischen Yannik noch auf seiner ersten Laufrunde!
Die Tonspur bleibt die gleiche: „Trinken! Trinken! Trinken!“
Alter, ist das warm hier. Nach ein paar Bechern Wasser gibt es erst mal ’ne Bratwurst für alle.

Und für den Veggie ne Pommes
Und für den Veggie ne Pommes


Unsere Kollegen Samuel und Lea sind inzwischen auch dazugekommen. Auch Samuel hat Triathlon-Blut geleckt und plant 2026 mit einer Langdistanz. Gemeinsam verteilen wir uns immer wieder auf der Laufstrecke, wechseln die Mainseite über die Brücken und feuern Yannik aus verschiedensten Ecken an. Es sind inzwischen 38 Grad und ich muss sagen, dass mir allein die 800 Meter Fußweg durch die Sonne im Spaziertempo richtig zu schaffen machen. Für 8 € kaufe ich die vermutlich teuerste Wasserflasche meines Lebens und komme wieder zu Kräften.
Gleich ist Halbmarathon, und bei Yannik sieht es noch richtig gut aus.

Der Mann mit dem Hammer

Und da kommt er – der Mann mit dem Hammer. Triathlon kann so grausam sein. Was beim Marathon meist erst auf den letzten fünf Kilometern auf uns wartet, kann beim Eisenmann eben auch schon mal bei der Hälfte des Laufs auf dich warten – erst recht bei dem Wetter!
Yannik berichtet, dass der Kreislauf langsam streikt – Schwindel, alles dreht sich.

Aber lachen kann er noch
Aber lachen kann er noch


Das Gefühl kenne ich noch aus Hamburg, und die Mission ist klar: Yannik, du vergisst jetzt mal ganz schnell alle Zielzeiten, frisst ’ne Handvoll TUC-Kekse bei der nächsten Verpflegungsstation und trinkst Wasser ohne Ende!
Das ist halt wirklich das Einzige, was dir hier heute noch einen Strich durch die Rechnung machen kann. Aber Aufgeben? No way. Das Gefühl kennt jeder IRONMAN auf der Laufstrecke: Heute gibt es nur noch zwei Optionen – Ziellinie oder Krankenhaus.
Bitte lass es bei Yannik heute Ersteres sein.
Auf Laufrunde 4 und mit noch sechs Kilometern übrig hat Yannik jedenfalls schon wieder ein leichtes Lächeln im Gesicht.
Ich kenne das Gefühl. Er kann das Ziel riechen.

Finish-Line

Auch wir machen uns auf Richtung Ziellinie und, was soll ich sagen, das ist hier der Place to be!
Ich könnte wohl den ganzen Tag auf dieser Tribüne verbringen und mir angucken, wie alle zehn Sekunden auf der Leinwand ein Lebenstraum in Erfüllung geht. Die „First-Time-Finisher“ läuten die berühmte Glocke und werden vom Publikum abgefeiert.
Ich habe Gänsehaut.
Ich muss hier wieder hin. Ich will dieses Gefühl wieder haben. Ich möchte komplett ans Ende meiner Kräfte. Ich möchte meinen Körper etwas meistern lassen, wovon ich rational nicht begreife, dass das möglich ist. Ich will wieder die Worte hören: „From Germany, Alexander Troost – YOU ARE AN IRONMAN!“.

Hier werden Träume wahr
Hier werden Träume wahr

Wahnsinn.

Dem Liveticker entnehmen wir: Yannik kommt näher und näher. Wir stellen uns direkt an den Zielkanal. Yanniks Bruder hat schon zwei Pizzen gekauft. Es ist alles angerichtet. Yannik, du kannst kommen.
Freudestrahlend und mit einer Spitzenzeit von 12:30 h läuft Yannik über die Ziellinie und wird zum IRONMAN. Aber das Allerwichtigste an diesem Tag: Yannik ist glücklich, wohlauf und vor allem gesund! Kein Sonnenstich trotz wirklich abartiger Hitze.

You are an IRONMAN
You are an IRONMAN

Im Zielbereich spricht mich noch ein Finisher an: „Ey, hast du diesen Online-Blog?“ Arnold und Tommi trauen ihren Ohren nicht, ich freue mich total. IRONMAN Jochen erzählt mir, dass er irgendwann mal auf meinen Blog gestoßen ist, dass ich ihn mit motiviert habe und er heute seine erste Langdistanz gefinisht hat.
Ich kann nicht so recht in Worte fassen, was diese Momente für mich bedeuten. Ich bin Jochen jedenfalls sehr dankbar, dass er mich angesprochen hat.

Nach ein paar Minuten treffen wir Yannik wieder. Der Streber hat im Athletenbereich natürlich erst mal ein bisschen Obst gegessen. Jetzt gibt es aber die verdiente Pizza. Nach ein paar nostalgischen Gesprächen verabschieden wir uns. Für mich führt die Autofahrt noch durch die Nacht zurück nach Bielefeld.

Endlich frisst auch der Streber mal ne Pizza
Endlich frisst auch der Streber mal ne Pizza

Es ist wenig los auf den Straßen und ich kann die Gedanken schweifen lassen, und ja – ich träume vom nächsten IRONMAN. Als Supporter war das stark und ich freue mich sehr für Yannik, dass alles so gut geklappt hat.

Aber nächstes Mal, da will ich selbst wieder auf die Finish-Line!

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