05:45 Uhr stehe ich heute auf. Vielleicht schaffe ich es eines Tages mal einen Wettkampf so zu planen, dass ich zu einer menschlichen Uhrzeit aufstehen kann. Aber gut, sei es drum.
Tasche packen, Frühstück, paar Bananen für die Fahrt und ab geht’s. 07:00 Uhr hole ich Mathias an der Schwanenapotheke ab und los geht’s Richtung Würzburg. Die Autobahnen sind frei und so sind wir bereits 2,5 Stunden später am Treffpunkt. Hier warten wir auf Chiara, Dominik und Jan. Wir werden im großen Kreise heute Abend in Würzburg ins neue Jahr feiern und Fitfluencer Troostiboy hat entschieden, dass vorher ein Silvesterlauf stattfindet. Auch wenn natürlich mancher dann spontan seinen Turnbeutel vergisst um eine Ausrede zu haben, mit dem Argument „Jetzt komm, wenn ich das packe, kann das jeder machen“ kriege ich ja üblicherweise mindestens eine Autoladung zusammen.
So sind wir zu fünft und brechen auf Richtung irgendwo. Ich weiß, dass es eine Stunde von Würzburg weg ist, muss aber den Ortsnamen nochmal in meinen Notizen nachgucken. Für alle Kenner: Unser Ziel ist der schöne Ort Hengstfeld im Landkreis Schwäbisch-Hall. Einwohnerzahl und Höhenmeter liegen beide bei 500.
Irgendwo im Nirgendwo
Wir haben einfach „Silvesterlauf Süddeutschland“ gegoogelt und das wirkte irgendwie einladend. Habe ja bekanntermaßen eine Schwäche für Dorfveranstaltungen.
Anmeldung für den Silvestersauf
So, anmelden vor Ort, jeder nen Zehner abdrücken und her mit der Startnummer. Ich laufe heute unter der Nummer 10 auf. Perfekt, war früher schon gerne der Spielmacher. Nicht der einzige Scherz an diesem Morgen. Wie immer sind wir in wundervollen Nervösitäts-Blödel-Stimmung. Um mal einen Eindruck zu vermitteln: Wir machen uns einen Spaß daraus in jedem Satz das Wort „Lauf“ mit „Sauf“ zu ersetzen. Die schnellsten Säufer brauchen weniger als 40 Minuten. Auch wer langsam säuft, kommt ans Ziel. Der Silvestersauf wird immer beliebter. Platz da, die Säufer kommen. Superlustig, oder? Im Vereinsheim wärmen wir uns noch ein bisschen auf.
Klimawandel?
Es sind Temperaturen um den Gefrierpunkt, aber strahlend blauer Himmel. Ich mag dieses Laufwetter. Interessant ist, wie unterschiedlich Menschen sich bei diesen Temperaturen vorbereiten.
Während Mathias in kurzer Hose und Pullover nach einem entspannten Spätsommerabend aussieht, wirkt Dominik eher so, als habe man ihn am Everest geholt.
So, dann stellen wir uns mal auf und gleich geht’s los. Die Freiwillige Feuerwehr läuft mit Atemschutzausrüstung. Finde ich lustig. Der Startschuss fällt und los geht’s.
Ich liebe es, wenn es endlich los geht. Das Feld dehnt sich aus und ich hab meine Ruhe. Bin alleine mit mir selbst. Ich bin sehr gespannt, was heute drin ist. Vor 30 Tagen bin ich die 10km in 1:10h gelaufen. Seitdem habe ich zwar gut trainiert, aber mich streckenweise auch so scheiße ernährt, wie es nur geht. Alkohol dazu. Habt ihr ja vermutlich schon in meinem Video gehört.
Aber egal, ich stelle meine Uhr auf 7:00 min/km Pace ein um das ganz stumpf durchzulaufen und ggf. mit einem Schlussprint noch die letzten Sekunden rauszuholen. 1:09:59 ist mein Ziel.
Die ersten drei Kilometer laufen gut. Wir laufen über Felder, mitten im nirgendwo. Ich bin mir nicht sicher, ob die Strecke wirklich abgesperrt ist oder ob hier einfach Silvester um 13 Uhr niemand Auto fährt.
Was meinen perfekten Pacingplan etwas versaut, hier gibt’s zwischendurch immer wieder ordentlich Höhenmeter. Kilometer 4 bis 7 laufen ja sowieso immer schleppend, die Höhenmeter tun ihr übriges.
Ans Ziel denken
Ich halte mich hier meistens damit am Laufen, dass ich den Zieleinlauf für mich visualisiere. Mir vorstelle, wie schön das gleich ist, wenn alles vorbei ist, wir uns im Ziel abklatschen und dann aufgeregt über die Erfahrungen austauschen. „Boah war der Berg krass.“ „Wie lustig waren diese Feuerwehrleute“ oder auch „Jetzt saufen mer uns einen!“. Klassischerweise überlege ich mir auch schon mal den Text für den Instagrampost. Irgendwas mit, dass ich nun ja befreit zechen kann. Ich komme gut voran, aber es fühlt sich wirklich nach harter Arbeit an. Mal gucken, ob wir hier am Ende noch Puste haben. Am Streckenrand säuft die Dorffeuerwehr. Sowas sehe ich ja immer besonders gern. Betrunkene Jugendliche sind einfach sympathisch!
Noch 2km dann müsste es geschafft sein. Als Finale sind auf dem neunten Kilometer nochmal bis zu 6,5 % Steigung geboten. Am Ende der Steigung befindet sich eine Bushaltestelle, wo schon einige Teilnehmer auf die Heimfahrt warten. So gibt’s nochmal richtig Jubel vorm letzten Kilometer. Das motiviert. Verwirrt mich aber kurz, bin ich jetzt richtig gelaufen? Ich sehe kein Schild mehr und habe unmittelbar vor mir auch keinen anderen Läufer. Hab ich jetzt ernsthaft noch geschafft falsch abzubiegen? Nein, da hinten ist der Sportplatz.
Ah. Da lang.
Aber diese kurzzeitige Verwirrung lenkt mich so ab, dass der letzte Kilometer wie im Flug vergeht. Na dann, sprinten wir mal ins Ziel. Die anderen jubeln am Streckenrand. Über Lautspreche werde ich nochmal angesagt. So renne ich grinsend ins Ziel. Meine offizielle Zielzeit wird 1:08:21. Laut Garmin war die Strecke aber bisschen kürzer und ich hatte eine Pace von 6:55. Keine Ahnung, was jetzt stimmt, jedenfalls habe ich es tatsächlich geschafft, die Leistung vom 1.12. zu steigern. Das ist aber im Grunde gar nicht so wichtig. Erstmal trinke ich jetzt ne Flasche Wasser und tauschen mich mit den anderen aus.
Wie immer: Jeder hat lustige Dinge erlebt, jeder hatte Spaß, jeder hat es geschafft und alle sind froh. Noch einen Tee zum Aufwärmen und dann verabschieden wir uns. Die Dorfbevölkerung hat hier bereits unmittelbar nach dem Zieleinlauf mit dem Saufen begonnen. Das ist sympathisch und macht durstig. Also ab nach Würzburg und ins neue Jahr feiern. Das war’s mit Sport für 2019.