Warum ihr immer ins Bordbistro gehen solltet

Montag, 9:49 Uhr. Gleis 13, Abschnitt G, Duisburg HBF. Ich stehe nicht so weit ab vom Schuss, um in den letzten Wagon einsteigen zu können, sondern weil hier der Raucherbereich ist. Wir armen Raucher werden ja konsequent an den Rand der Gesellschaft gedrückt. Um bei der baldigen Ankunft den richtigen Wagon zu erwischen, darf ich also wieder in Abschnitt B hetzen, was mich allein schon wieder so stresst, dass ich wieder eine rauchen könnte. Ein Teufelskreis.

Ob genug Platz ist?

Hoffentlich genug Platz
Hoffentlich genug Platz

Wie immer zähle ich die auf dem Bahnsteig stehenden Leute und versuche einen Rückschluss darauf zu ziehen, ob das kombiniert mit den bereits im Zug sitzenden Leuten wohl zu einem überfüllten oder leeren Zug führen würde.
Einen Platz habe ich zwar meistens reserviert, aber Männer von meinem Format haben gerne den Nebenplatz auch frei. Mein Vorteil ist hier, dass ich auch bei überfüllten Zügen meist die letzte Option zum „dazusetzen“ bin. Richtig social akward ist dann, wenn jemand neben mir sitzen bleibt, obwohl 1000 andere Plätze frei sind. Alles schon gehabt.
Zug kommt an, da ist auch schon der richtige Platz, alles schnell gefunden, Vierer-Sitzgruppe mit Tisch, Laptop hinstellen, Koffer hoch, wunderbar.

Wer sind meine Nachbarn?

Der berühmte Kurztrip
Der berühmte Kurztrip

Erst jetzt sehe ich mich um. Der Platz neben mir ist wie gewünscht frei. Gegenüber sitzt ein Rentnerpaar. In der folgenden Fahrkartenkontrolle erfahre ich von ihrem Städtetrip nach Berlin. Die Beiden haben sich tatsächlich die Fahrkarten im Reisebüro besorgt. Das find‘ ich klasse, das ist mal Entschleunigung. Nicht immer kurz vorm Einsteigen hektisch auf’m Handy kaufen – schön 2 Wochen vorher im Reisebüro. Nachahmenswert!
Schön bei reisenden Rentnern ist auch immer, dass es für die Proviantplanung einer Zugfahrt keine Rolle spielt, ob man von Duisburg nach Berlin fährt oder von Bratislava nach Reykjavik, es wird immer die gleiche gigantische Menge Essen mitgebracht. So wird mir schnell etwas angeboten, ich passe.

Zugkopplung in Hamm

Die berühmte Zugkopplung in Hamm nutze ich für einen Umzug ins Bordbistro. Es ist immer ein kleines Pokerspiel, seinen reservierten Platz aufzugeben, um ins Ungewisse zu wechseln. Vielleicht ist ja im Speisewagen gar kein Platz frei? Bisher hab ich das Pokerspiel aber immer gewonnen. Außerdem ist das wichtigste Argument für den Bordbistrobesuch wohl, dass man dort Harald Schmidt antreffen könnte. Dieser von mir verehrte Bahnreisende ist dort angeblich regelmäßig anzutreffen. Getroffen hab ich ihn aber noch nie. Dafür in diesem Text bereits einen Witz von ihm geklaut.

B-Promis im Bordbistro

Lecker Maultaschen
Lecker Maultaschen
Stattdessen treffe ich in den Bordbistros unserer Schnellzüge regelmäßig Prominente vom Format „kenn ich irgendwoher, weiß aber nicht genau wer das ist“. So auch diesmal. Name fällt mir nicht ein, war aber angeblich als Stimmimitator in den 90ern häufig bei „7 Tage, 7 Köpfe“. Was auch immer, erzählt jetzt jedenfalls davon, wie er sich ganz bewusst vom Showbusiness zurückzog. Sollte meine Influencer-Karriere irgendwann zu Ende sein, werde ich das auch in den Bordbistros dieser Erde erzählen.
So lausche ich seinen Erzählungen und gönne mir Maultaschen, Cola, Kaffee (in umgekehrter Reihenfolge). Ein geniales Konzept, dass ich während der Zugfahrt essen kann. Bitte weiter ausbauen! Bord-Frisör, Bord-Zahnarzt oder ähnliches! Ich habe heute noch andere Pläne, sonst würde ich auch beim Hefeweizen zuschlagen.

Trinken im Zug

Es kann so schön sein
Es kann so schön sein

Sich im Zug ein Bier zu gönnen, strahlte schon immer eine Magie auf mich aus. Sei es mit 15 mit einer Kiste Landfürst im Fahrradabteil eines Nahverkehrzuges oder eben heute im ICE-Bordbistro. Man bringt spielend Kilometer hinter sich und darf sich dabei noch was gönnen. Wunderbar.
Da wir aber in diesem Fall nüchtern unterwegs sind und Wolfsburg Hbf bereits passiert haben, bekomme ich die übliche Panik noch rechtzeitig bezahlen zu können. Muss ja schließlich schon in einer knappen Stunde raus und nachher klappt das alles nicht!

Dit is Berlin, wa?

Spandau muss ich raus. An diesem Bahnhof verpeile ich immer, wo jetzt welcher Ausgang für welche U-Bahn ist, so dass ich gefühlt dreimal die gesamte Länge des Bahnsteigs langlaufen darf.
In der U-Bahn sitzt mir jemand gegenüber, der eine randlose Brille trägt, Club Mate trinkt und einen Schnurrbart trägt. Dit is Berlin, wa? Auch irgendwie nett. Aber wohler fühle ich mich dann doch bei Rentnern, Maultaschen und Harald Schmidt. Freue mich schon auf die nächste Fahrt.

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