Brennende Waden beim Triathlon in Hückeswagen

Samstag, 5:45 Uhr, der Wecker piept. Aufstehen, duschen, ’n Butterbrot und ’ne Banane und ab geht’s. Fahrrad in den Kofferraum und los.
Komisches Gefühl die Hinfahrt alleine zu bestreiten. Zur Einstimmung höre ich im Auto die Tonspur meiner Lieblingstriathlondokus. Ich treffe mich heute in Hückeswagen mit Lukas, Béla, Panda, Victor, Jan und Clemens um die Sprintdistanz beim Hückeswagen Triathlon zu absolvieren. Der geneigte Leser wird genauso verwundert sein wie ich: Ja, andere Namen als in Hamburg, ich habe tatsächlich zwei Triathlon-Freundeskreise! Wir kennen uns alle aus Münster, aber da Lukas hier in der Nähe beheimatet ist, fiel unsere Wahl auf die Metropole Hückeswagen. Ironischerweise kann er jetzt verletzungsbedingt nicht starten, ist aber trotzdem als Support am Streckenrand dabei. Mehr als einmal wird er am heutigen Tage aufgrund der Höhenmeter verflucht werden.
Mit ausreichend genug Vorlaufzeit komme ich an, treffe die anderen, Startunterlagen abholen, Räder einchecken.

tiefenentspannt
tiefenentspannt

Béla stellt fest, dass sein Vorderreifen platt ist. Was ja meine absolute Horrorvorstellung ist und mich nachts nicht schlafen lässt, lässt Béla relativ kalt. „Joa, hat irgendeiner ’nen Schlauch dabei?“ Hat einer und so wechselt er in aller Ruhe nochmal den Reifen. Da kommt eben die Erfahrung von dutzenden Wettkämpfen durch, ich wäre wahrscheinlich sofort am Herzinfarkt drauf gegangen.

bereit
bereit

So, Wechselzone aufgebaut, wir haben noch ausreichend Zeit etwas auf der Wiese im Schatten zu sitzen, schwimmen uns dann schließlich ein und positionieren uns am Strand für den Start. Heute kein Wasserstart wie in Hamburg, sondern mit Reinlaufen. Bisschen Action ist auch mal nett.

swim

und losPunkt 11:40 Uhr ertönt die Sirene und der Start geht los. Triathlon incipit. Die Wassertemperatur von 22 Grad ist wirklich sehr angenehm und ich komme beim Schwimmen wieder einmal gut durch. Kann wieder zwei meiner Mitstarter hinter mir lassen. Beim Aufstehen aus dem Wasser stolpere ich und falle erstmal wieder hin. Das ermöglicht Lukas die Erstellung des lustigsten GIFs, seit es Triathlon gibt. Gebe ich auf Anfrage gerne raus. Beim Ausstieg aus dem Wasser natürlich Blick auf die Uhr: 1 Minute langsamer als in Hamburg. Hm, das verwirrt mich. Nachher erfahre ich, dass die Schwimmstrecke wohl auch 10% länger war und es bei so Dorftriathlons durchaus üblich ist, dass die Strecken nicht so ganz genau geeicht sind. Naja, wie dem auch sei.
Heute denke ich dran beim Laufen in die Wechselzone nicht komplett durch zu sprinten. Hier klappt alles wie geplant. Schwimmbrille weg, erster Griff Handtuch, dann Shirt, Socken, Schuhe an, Startnummernband, Sonnenbrille, Helm und los geht’s! Meinem direkten Nachbarn platzt der Reifen. Sowas tut mir immer wahnsinnig leid und ich hoffe nur, dass mir das nicht passiert.

bike

So, ab auf die Radstrecke. Den ersten Kilometer geht es sehr dankbar bergab und ich habe direkt 45 km/h drauf. Huiiii!
Am Fuß des Berges sehe ich einen Krankenwagen. Eine Fahrerin ist hier gestürzt. Erfahre nachher, dass es ihr soweit gut geht, aber bringt mich dazu heute bei Abfahrten noch vorsichtiger sein.
Der erster Anstieg hat es direkt in sich mit über 6 Prozent Steigung. Bergauf wird mir mein Gewicht einfach immer noch sehr zum Verhängnis. So quäle ich mich im niedrigsten Gang nach oben. Erster Gedanke „ok, das schaffe ich heute niemals“.

Die Radstrecke
Die Route führt über Landstraßen und durch verschiedene Kuhdörfer. Die Anwohner sitzen in Campingstühlen am Straßenrand und feuern die Starter an.
Ich habe das mit den Höhenmetern wirklich unterschätzt. Insgesamt 293 Meter bergauf sind am heutigen Tag zu überwinden, ich verbringe so viel Zeit wie noch nie im ersten Gang und quäle mich Meter für Meter nach oben. Ich erinnere mich wehmütig an die Radstrecke in Hamburg. Da hat es zwar durchgehend geregnet, es gab aber keine Berge. Aber gut, das Wetter ist dafür heute exzellent. Über 25 Grad und Sonnenschein, das macht Spaß. Die Berge hingegen verlangen mir alles ab. Mehrfach an diesem Tag höre ich den Zuruf „Respekt, mein Lieber“ und erfahre unfassbar viel Support vom Streckenrand. Irgendwo habe ich gelesen, Triathlon sei ein sehr einsteigerunfreundlicher Sport mit einer undurchlässigen Community. Nach zwei Wettkämpfen Erfahrung sage ich, absoluter Quatsch. Gerade bei Anfängern wie mir, denen man die Tortur deutlich ansieht, ist der Support von Mitstreitern und Zuschauern einfach grenzenlos. Jeden einzelne Zuruf quittiere ich mit einem „Danke“ und ganz im Ernst, auch jeder einzelne Zuruf hilft.
Irgendwann ist es dann geschafft, ab Kilometer 13 folgen gefühlt nur noch Abfahrten. Hier muss ich ja zugeben, ein Schisser zu sein. Ab 40 km/h wird mir echt anders und ich bremse auch mal gerne ab, auch wenn ich dadurch natürlich reichlich Energie verliere. 50,8 km/h Topspeed wird mir Strava heute bescheinigen. Nächstes Mal wieder flache Strecke, ich schwöre. Bereits gegen Ende der Radstrecke weiß ich, dass von der Zielzeit her heute keine Wunder zu erwarten sind. Scheißegal, ich hab diese Bergstrecke geschafft. Allein darauf bin ich schon stolz.

run

So, Rad abstellen, Schuhe wechseln und ab geht’s. Auf die Laufstrecke. Und heute ganz wichtig Troostiboy, nicht überpacen! Noch in der Wechselzone ist der erste Verpflegungsstand. Zwei Wasser, ein Iso, das tut gut. Ich bin an diesen Verpflegungsstellen immer völlig unfähig mich verständlich zu machen, Sprachzentrum setzt irgendwie aus. Aber mein Kopfnicken wird verstanden. Dazu werden hier diese wassergetränkten Schwämme verteilt. Ohne Witz, noch am Abend vorher habe ich irgendeine Hawaii-Doku gesehen und habe mich gefragt, ob das wohl wirklich so angenehm sei, sich eiskaltes Wasser ins Gesicht zu drücken. Da gibt’s ja Leute die sich sogar Eiswürfel in die Mütze packen. Nun kenne ich die Antwort. Es ist unfassbar angenehm. Ich drücke mir zwei Schwämme ins Gesicht und habe ein wahnsinnig erfrischendes Gefühl der Abkühlung. Wunderbar.

malerischDie Laufstrecke ist wunderschön. An kleinen Feldwegen am Bach entlang, das ist schon was anderes als Hamburg. Ich kontrolliere immer wieder meine Uhr und achte darauf, nicht zu schnell zu laufen. Mein Vorsatz lautet: Ohne Gehpausen auskommen, bis Kilometer 3 um die 150BPM bleiben und dann mal gucken, ob wir den Gashahn noch aufkriegen.

fun

Was an so einem Dorftriathlon wahnsinnig sympathisch ist, hier ist gefühlt die gesamte Bevölkerung auf den Beinen, um das Ding zu organisieren. Die Jugend der Fußballmannschaft sichert die Laufstrecke ab. Dabei hören sie laut Mallorca-Musik und trinken kistenweise Reissdorf Kölsch. Gut, schlechte Bierwahl, aber generell ziemlich lustig. So kriege ich bei Streckenkilometer 2 nicht nur Wasser, Iso und einen gekühlten Schwamm (bin jetzt großer Fan), sondern auch einen Becher Kölsch. Die Dorfjugend feiert mich. Dazu Mia Julia. Traumhaft.
So, Streckenkilometer 3, nun folgt der Taktikwechsel. Ziemlich genau hier werde ich von einem älteren Herrn überholt und entschließe mich, erstmal jetzt sein Tempo mitzugehen. So ein Läufer direkt vor einem motiviert ganz gut um sich ziehen zu lassen, hatte auf der Radstrecke auch immer wieder andere Teilnehmer als Orientierungspunkte.
Schnell bekomme ich das was man in Korpokreisen einen „Laberjungen“ nennen würde gedrückt. Aber auch wenn ich immer nur völlig außer Puste in einem Wort antworten kann, hat der gute Mann viel zu erzählen. Ich erfahre viele „Side Facts“ über den Hückeswagen Triathlon und muss sagen, dadurch vergeht die Zeit einfach wie im Flug. Sein erster Start hier war 1989, da bin ich geboren. Immer wenn ich etwas langsam werde und drohe zurück zu fallen, bremst auch er sein Tempo, um neben mich zu kommen und dann wieder schneller zu werden. Es ist nicht so, dass er bewusst gesagt hätte „Junge, ich treibe dich jetzt bis ins Ziel“, aber wir merken beide, dass er das gerade tut. Das ist halt auch irgendwie Triathlon, von wildfremden Menschen unterstützt werden.

done

So, dahinten ist ja dann auch endlich das Zielstadion. Noch eine Runde und dann ist es geschafft. Die anderen stehen schon am Streckenrand, Béla brüllt: „Furchtlos und treu! Troostiboy“. So muss ich auch auf den letzten Metern nochmal ordentlich grinsen. Zeitgleich mit meinem neuen besten Lauffreund überquere ich die Ziellinie, wir umarmen uns kurz und jeder geht wieder seiner Wege. Damit ist mein zweiter Triathlon geschafft. Im Ziel brauche ich erstmal 7 Wasser und 2 Cola um klar zu kommen und dann verfluchen wir gemeinsam Lukas, der ja diese Strecke ausgesucht hat.

durch
durch

Unsere unterschiedlichen Fitnessuhren stellen fest. Die Strecke war heute 550 Meter Schwimmen, 19,4 km Rad und 5,7 km Laufen. Meine Zeit ist etwas schlechter als die in Hamburg. Aber ich darf auch heute insgesamt sehr zufrieden sein. Beim Laufen die vorgenommene bessere Pace gepackt, keine Gehpausen und Strava rechnet mir aus, dass ich aufgrund der Höhenmeter auch trotz der langsamerem Zeit eine höhere Wattzahl am Rad getreten bin, also mehr Leistung erbracht habe. Schön für den Kopf, aber das Herz freut sich einfach über den Zieleinlauf.

Die Gang
Die Gang
Der Shuttlebus zum Parkplatz kommt leider nicht, so wandern wir jetzt noch 3km und 150 Höhenmeter zurück zu Wechselzone und Parkplatz. Perfektes Training für die Grundlagenausdauer. Es ist eine schöne Gegend, es war ein schöner Tag und meine Beine tun unendlich weh.
Auf die Fahrt nach Hause gibt mir DJ Spotify Shuffle den Song „I am from Austria“. Ich muss lachen. Das wärs eigentlich, Radhöhentrainingslager in Innsbruck. Dazu jeden Abend Tiroler Gröstl mit Spiegelei. Nächstes Jahr dann vielleicht.

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