Bis zum Umfallen und noch weiter – Mein erster Halbmarathon

10 Uhr klingelt mein Wecker, das ist mal relativ entspannt. Habe bei meinem Kumpel Philipp auf dem Sofa in München übernachtet. Viel Schlaf war es trotzdem nicht, da ich die gesamte Nacht die Iron Man WM Übertragung aus Hawaii gesehen hab. Ziemlich beeindruckendes Spektakel.

Strecke für den Halbmarathon
Strecke für den Halbmarathon

Am gestrigen Tage war ich so voll des Wahnsinns, dass ich mich spontan entschieden habe beim Halbmarathon zu starten. Meine Freunde Andreas, Philipp, Mathias, Heinrich und Dörthe hatten das sowieso vor, ich wollte eigentlich den 10km-Lauf machen, aber irgendwie hab ich mich spontan für den Halbmarathon entschieden. Ich weiß auch nicht, so einen richtigen Plan dabei hatte ich nicht.

Start im englischen Garten

Mit der U-Bahn geht’s Richtung Wettkampfstrecke. Start ist im englischen Garten am chinesischen Turm. Wir stoßen quasi genau bei „Halbzeit“ auf die reguläre Marathonstrecke, so dass auch unser Zieleinlauf das Olympiastadion sein wird.

Insgesamt 22.000 Läufer werden auf der Strecke unterwegs sein. Unfassbares Massenevent. Nach dem üblichen gegenseitigen verrückt machen geht jeder in seinen Startblock. Ich starte im Startblock C, meine Zielzeit ist 2:55h.

Kurz vorm Start
Kurz vorm Start

Für mich noch sehr ungewohnt wie unkompliziert so ein Lauf ist. Ich muss kein Fahrrad einchecken, gar nix. Ich geh einfach in Laufsachen zum Start und kann loslaufen. Dazu Handy und Kopfhörer dabei. Perfekt. Um mich nicht verrückt machen lassen, mache ich mir das Clueso Album „gute Musik“ an. Mucke aus Kifferzeiten entspannt mich immer.

Stück für Stück rückt unser Startblock nach vorne, bis ich um 13:45 Uhr endlich die Startlinie überquere. Mucke noch schnell umstellen auf meine eigens erstellte Halbmarathon-Playlist. FOOOOOOOX ON THE RUN! Los geht’s.

Halbmarathon beginnt

Der Anfang scheint bergauf zu gehen, das haben die anderen erzählt. Aber gefühlt geht es heute den ganzen Tag bergauf. Wir laufen durch klassische Ein-Familien-Haus-Wohngebiete. Viele Kinder am Straßenrand, die High-Fives verteilen. München-Bogenhausen, was hier ’ne Hütte kostet, will ich gar nicht wissen.

Ich mache natürlich den gleichen Fehler wie jeder Amateurlangläufer: Ich starte viel zu schnell. Aber ich fühle mich gut und möchte erstmal nicht langsamer laufen. Außerdem geht es heute gegen den Besenwagen (das Schlussfahrzeug). Ich muss bis 16:40 Uhr im Ziel sein, das Schlussfahrzeug überholt alle, die langsamer unterwegs sind und bittet auf den Gehweg auszuweichen.

Hätte ich behauptet, ich würde das Ganze hier in Weltrekord laufen, wäre ich schon im Startblock um 13:30 Uhr gewesen und hätte also mehr Zeit… Weiß ich Bescheid fürs nächste Mal!

Die ersten 5km laufen wunderbar. Das Tempo ist angenehm und ich achte darauf, mich an jeder Verpflegungsstation anständig zu versorgen. 1,2 Becher Wasser trinken und einen zur Kühlung in den Nacken schütten. Es sind tatsächlich noch herbstliche 23 Grad und diesen Trick zum Kühlen habe ich gestern in der IronMan-Übertragung gesehen.

Dazu gerne 1 oder 2 Iso-Drinks an den Stationen und ein paar Stücke Banane. Ist vielleicht nur Placebo, aber fühlt sich an, als würde es mir etwas Energie geben.

Finger weg von den Energy-Riegeln, kenne die Marke nicht und weiß nicht, wie ich das vertrage. Einen Besuch aufm Dixi-Klo möchte ich vermeiden.

Völlig auf Autopilot
Völlig auf Autopilot

So ab KM7 ist die Strecke recht langweilig. Dafür komme ich gut durch und bin bis KM10 auch voll auf Kurs. Super in der Zeit, vor meiner vorgenommenen Pace. Das war ja auch die Distanz auf die ich mich eingestellt hatte. Und nun kommt der Mann mit dem Hammer. Bei Kilometer 12 und 13 mache ich immer wieder kurze Gehpausen. Die schnelle Anfangspace rächt sich brutal.

Deutschland schönster Läufer
Deutschland schönster Läufer

Nochmal kurz lächeln für den Fotografen bei Kilometer 14 und dann wird die Strecke wirklich genial. Über die Isar, Viktualienmarkt und Marienplatz. Jede Menge Zuschauer, ich fühle mich wie der FC Bayern. Ich kreuze die berühmte Maximiliansstraße und ab auf den Odeonsplatz die Leopoldstraße runter. Das dürfte wirklich eine der schönsten Laufstrecken der Welt sein. Während ich am Maserati-Café vorbeilaufe, läuft auf meinen Kopfhörern Mia Julia und singt „Wir sind wir und einfach nur geil. Wir feiern das Leben, Mallorca-Style.“

München ist wunderschön

Finde ich lustig
Finde ich lustig

Das hier zu hören, während rechts und links C-Prominente Torte essen, zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht. Ich bin zwar völlig am Arsch, aber glücklich. Dieses verrückte „Runners High“ kickt mega.

Runfluencer
Runfluencer

Schicke sogar ein Selfie von mir an die anderen. Noch 6km. Klingt doch machbar. Am Siegestor vorbei und links in die Franz-Josef-Straße. Ich muss sagen, München ist wirklich wunderschön, aber der Lauf wird mehr und mehr ein Kampf.

Ich kann mich rückblickend an die Strecke zwischen km 15 und 18 kaum erinnern. Ich bin wie auf Autopilot und setze einfach weiter nach wie vor einen Fuß vor den anderen. Irgendwie nach vorne.

Bei Kilometer 18,5 ist noch eine Verpflegungsstation. 2 Wasser , 1 Isodrink und 1 Banane. Das tut gut.

Plötzlich der Supergau. Neben mir ein BMW X6 mit zwei Besen auf dem Dach, der Mann vom Beifahrersitz ruft: „Das ist das Ende der Veranstaltung, bitte auf dem Gehweg weiter, wir heben die Streckensperrung auf.“

Moralischer Knockout

Ich kann mir das nicht erklären. Auf meiner Uhr sah doch alles noch ok aus, warum kommt jetzt schon das Schlussfahrzeug. Das ist doch unfair, die haben doch gesagt, und überhaupt…Tagsdrauf kann ich anhand der Daten auf Strava feststellen, dass alles korrekt ist, ich war eben nur einfach zu langsam. Aber in dem Moment konnte ich das nicht fassen.

Leistungsdaten des Tages
Leistungsdaten des Tages

Heißt das jetzt eigentlich, ich komm gar nicht mehr ins Stadion rein? Soll ich überhaupt noch weitermachen? Dieses „Überholen vom Schlussfahrzeug“ gibt mir moralisch den Rest. Ich gehe den folgenden KM komplett, es ist der langsamste des Tages. Schreibe eine Whatsappnachricht an den Rest „Besenfahrzeug hat mich, aber die sind viel zu früh bin, komme jetzt aufm Gehweh ins Stadion“.

Ok, scheiße, Halbmarathon hat also nicht geklappt. Naja, man lernt ja auch aus Fehlern. Oder geht hier doch noch was?

Sprintversuch 1 – Ohne Erfolg

Dann sehe ich, dass vor mir eine große Kreuzung wieder aufgemacht werden soll, wenn ich jetzt nicht noch schnell das Schlussfahrzeug überhole. Kein Bock hier gleich an einer Fußgängerampel zu stehen. Ich sprinte 300 Meter zum Schlussfahrzeug und renne vor ihm über die Kreuzung, weiche dann aber wieder auf den Gehweg aus, ich kann das Tempo nicht halten. Mir ist schlecht. Das wird nix. Neben der „Schlussfahrzeugkolonne“ (besagter BMW X6, Polizei, Krankenwagen) trabe ich in den Olympiapark. Ein Krankenwagenfahrer unterhält sich länger mit mir, auch wenn ich nicht wirklich sprechen kann, und feiert mich für den Einsatz. Ich trabe immer wieder ein bisschen und mache Gehpausen. Ich kann die Flutmasten vom Olympiastadion schon sehen.

Letzter Versuch

Plötzlich meint der Krankenwagenfahrer „Ey, da vorne der X6, den musste einfach noch überholen, dann wirst Du noch gewertet. Der muss da langsamer fahren, weil die Straße sich verengt“. Ich mein, diese Information ist für mich ja nicht neu. Keine Ahnung, warum mir das in dem Moment so wichtig war und woher ich plötzlich die Energie nehme, aber ich finde das klingt wie eine gute Idee und laufe los.

Die Zuschauer stehen dicht gedrängt, ich bin aber wie im Tunnel und schaffe es tatsächlich das Fahrzeug noch einmal zu überholen. Ich bin kurz vorm Kotzen und habe den höchsten je gemessenen Puls auf meiner Uhr.

Zieleinlauf

Ziel in Sicht
Ziel in Sicht

Ich schaffe es rein ins Stadion, noch eine letzte Runde auf der Laufbahn, ich kann das Ziel schon sehen. Der Jubel der Zuschauer ist ermutigend. 100 Meter hinter mir der X6. Durchs Olympiastadion laufen ist jetzt schon ein ganz geiles Gefühl.

Halbmarathon durch
Halbmarathon durch

Kurz vorm Ziel entdecken mich auch meine Mitstarter, sichtlich überrascht, dass ich doch noch vorm Schlussfahrzeug bin. Nach 2:58:40 erreiche ich das Ziel. Hinter mir kommen noch drei oder vier Starter ins Ziel, dann der X6. Ich bin wie in Trance. Wir machen flott ein Gruppenfoto und dann müssen auch schon die ersten los.

Ich brauche jetzt erstmal Wasser. Gar nicht so leicht, hier gibt es gefühlt nur Freibier. Ohne Witz, ich suche ewig nach einem Stand, der mir kein Bier schenken will.

Erschöpfung beginnt

Nach 2 Litern Wasser wird mir bewusst, ich habe es tatsächlich geschafft. Unfassbar. Ich war aber auch noch nie so am Arsch. Strava bemisst den Halbmarathon (basierend auf meiner Herzfrequenz und Dauer) als dreimal so anstrengend wie den letzten Triathlonwettkampf. Wir müssen auf dem Weg zur Wohnung mehrere Pausen machen und von Ubahn auf Uber wechseln, da ich einfach völlig am Ende bin.

Philipp geht jetzt mit den Anderen essen. Ich verzichte und verschiebe meine Rückfahrt auf morgen früh. Traue mir keine Zugfahrt zu. Ich liege 4 Stunden regungslos auf dem Sofa. Ich kann mich einfach nicht bewegen. Dann gibt’s Pizza und eine Fanta und ich fühle mich wieder halbwegs wie ein Mensch.

Es ist wunderschön sich ein ganzes Jahr lang auf einen Wettkampf wie den Hamburg-Triathlon vorzubereiten, um dann zielstrebig und zuversichtlich sein Ziel zu erreichen. Es ist aber auch eine interessante Erfahrung, völlig übermütig sich Tags vorher erst anzumelden und mal bis zur kompletten Überanstrengung zu laufen.

Ich brauche ein paar Tage, bis ich es als tolle Erfahrung sehe und mich der Stolz erfüllt. Am Abend selbst denke ich nur „Ich werde nie wieder laufen können und nie wieder Sport machen“.

Mitstreiter gesucht

Aber gut. Wen sehe ich noch beim Iron Man 70,3 nächstes Jahr im August in Duisburg? Wer kein Fahrrad hat, kann sonst im Oktober 2020 gerne den kompletten München-Marathon mit mir laufen. Größenwahn ist jetzt Tagesprogramm! Alle anderen geplanten Veranstaltungen findet ihr rechts (Desktop) bzw. unter diesem Beitrag(mobil). Mitstreiter immer willkommen!

2 Kommentare

  1. Da ich ein völliger Triathlon-Rookie bin und 2020 meinen ersten Tri machen möchte, wird es nicht gleich eine Mitteldistanz sein, sondern ein Volkstri und vielleicht die olympische Distanz. Da ich aber keine 30 km weit weg wohne, werde ich sicherlich mit den Tri in Duisburg ansehen.
    Was die Trainingspläne vom Triathlon Magazin anbetrifft, mache ich seit Anfang November den Rookie-Plan. Und wenn ich ehrlich bin, reicht dieser mir vollkommen.

    1. Ja, klingt nach einem sinnvollen Einstieg! Der Finisher-Plan für Dezember macht mir auch irgendwie Angst, aber mein Gott, bisschen Wahnsinn in Ordnung!

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